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Sie wollen doch nur reden

Bezirksverordnete aus Friedrichshain-Kreuzberg fordern einen Baustopp der Kotti-Wache

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 3 Min.

Sonst bekannt für Kippenqualm und multilinguales Stimmengewirr, war das Café Kotti am Dienstagabend Austragungsort bezirkspolitischer Debatten. In einer Sondersitzung trafen sich die beiden Ausschüsse zu Stadtentwicklung und Wohnen sowie zu Partizipation, Integration und Migration in dem Café im ersten Stock des Neuen Kreuzberger Zentrums (NKZ). Verordnete von Friedrichshain-Kreuzberg sprachen mit lokalen Initiativen und Anwohner*innen über die geplante Polizeiwache am Kottbusser Tor. Diskutiert wurde in direkter Nachbarschaft zu der Fläche des ehemaligen Wettbüros überhalb der Adalbertstraße, wo die Wache entstehen soll.

Moheb Shafaqyar (Linke), stellvertretender Vorsitzender der Bezirksverordnetenversammlung, hatte zu der Sondersitzung eingeladen und sich im Speziellen an Innensenatorin Iris Spranger (SPD) gewandt. Die hatte aus Zeitgründen abgesagt – eine Begründung, die Shafaqyar nicht akzeptiert: Sonst hätte es Spranger bei der Realisierung der Wache doch sehr eilig gehabt. Am Montag hatte die Innenverwaltung offiziell bekannt gegeben, dass bereits der Mietvertrag von der landeseignenen BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH unterzeichnet wurde.

Im ersten Tagesordnungspunkt fasste Marie Schubenz vom Mieterrat des NKZ zusammen, warum sich der Rat wie auch die anderen wohnungspolitischen Bündnisse aus dem Kiez gegen den Standort aussprechen. »Unser Interesse ist es, die Situation von Menschen am Kottbusser Tor zu verbessern, und eine Polizeiwache im NKZ wird das nicht tun«, sagte Schubenz am Mittwoch zu »nd«. Shafaqyar ergänzte ebenfalls gegenüber »nd«: »Dieser Standort wird von keinem Akteur bis auf Spranger gutgeheißen. Sogar bei der Polizei selbst brodelt es.«

Im zweiten Teil der Sitzung wurde von beiden Ausschüssen eine Resolution beschlossen, über die mit Zustimmung eines weiteren Ausschusses nächste Woche die BVV entscheidet. Die zentralen Forderungen, mit denen sich der Bezirk an Sprangers Verwaltung richten soll: ein runder Tisch, der sich mit der Standortfrage beschäftigt, und mit Blick auf den bereits unterschriebenen Mietvertrag das Aussetzen jeglicher baulicher Maßnahmen.

Für Schubenz ist der geforderte Baustopp ein zentraler Punkt. Anders hält sie eine ergebnisoffene Partizipation nicht für möglich. »Ein runder Tisch, nachdem die Fakten geschaffen wurden, was ist das für ein Verständnis von Beteiligung?« Genau das scheint aber Iris Sprangers Verständnis zu sein. Die Mitteilung aus ihrer Verwaltung über den Vertragsabschluss ging einher mit der Ankündigung eines runden Tisches: »Um Planung und Umsetzung eines ganzheitlichen Konzeptes voranzubringen«, solle im August ein Auftakttreffen stattfinden.

Die Frage ist, was die Resolution tatsächlich bewirken wird. Rechtlich ist die Innenverwaltung abgesichert, die 3,75 Millionen für die Wache sind längst beschlossen. Schubenz hofft, dass der öffentliche Druck dennoch zu einer Kehrtwende führt. »Auch ein unterschriebener Mietvertrag kann rückgängig gemacht werden«, sagt er.

Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen, hält die Kritik an der Art und Weise der Standortauswahl für berechtigt. Auch wenn er sich in dem bisherigen Prozess mehr Transparenz von der Innenverwaltung gewünscht hätte, bewertete er »nd« gegenüber den für August geplanten runden Tisch positiv. »Ich glaube nicht, dass die Standortfrage entscheidend ist, sondern die Frage, welches Sicherheitskonzept für den Kotti umgesetzt wird.« Die Möglichkeit, dabei alle Akteur*innen mit einzuschließen, müsse ab jetzt genutzt werden.

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