Nächster Enteignungskandidat: Vattenfall

Grüne Jugend Berlin fordert entschädigungslose Vergesellschaftung des hauptstädtischen Fernwärmenetzes

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.

»Es ist doch klar, dass die Energiewende nicht von profitgetriebenen Energiekonzernen wie Vattenfall umgesetzt werden wird«, sagt Luna Afra Evans vom Landesvorstand der Grünen Jugend Berlin zu »nd«. Evans erinnert daran, dass Vattenfall nicht zuletzt mit seinem Fernwärmenetz und den vom Konzern in der Hauptstadt betriebenen Kraftwerken »jahrzehntelang von der fossilen Infrastruktur profitiert« habe. Der Energieriese habe »in Sachen Wärmewende zwar viel versprochen, aber wenig gehalten, sondern alles verzögert«, sagt Evans. Damit müsse Schluss gemacht werden. Und zwar radikal.

Denn geht es nach dem Willen des Grünen-Jugendverbands, soll nun mit härteren Bandagen gekämpft werden. »Wir fordern die Vergesellschaftung des Fernwärmenetzes, ohne dass Vattenfall dafür Entschädigungszahlungen enthält«, heißt es in einem Beschluss, den der Grünen-Jugendverband am Wochenende auf seiner Landesmitgliederversammlung mehrheitlich gefällt hat. Damit nicht genug, soll die Deutschland-Tochter des schwedischen Staatskonzerns dazu verdonnert werden, sich an »den Investitionen für die Umstellung des Fernwärmenetzes auf erneuerbare Energien« zu beteiligen.

Die Grüne Jugend greift mit ihrem Ruf nach der Enteignung des Wärmenetzes eine Forderung auf, die einige Klimaaktivisten bereits seit Längerem vertreten, bislang aber weitgehend ungehört verhallt ist. Denn der rot-grün-rote Senat hat zwar offiziell eine Rekommunalisierung des Vattenfallnetzes auf dem Schirm, mitnichten aber eine entschädigungslose Vergesellschaftung. »Die Koalition strebt die Rekommunalisierung des Fernwärmenetzes mit dem Ziel einer beschleunigten Dekarbonisierung der Fernwärme an«, steht im Koalitionsvertrag.

Dabei rückte das vage Anstreben vor zwei Monaten in durchaus greifbarere Nähe. Anfang Mai hatte Vattenfall selbst in den Raum gestellt, dass intern geprüft werde, ob man nicht das rund 2000 Kilometer lange Hauptstadtnetz mitsamt den zehn Kraftwerken vollständig abstoßen solle. Die Aufregung war groß, der Enthusiasmus der Senatsfinanzverwaltung gebremst. »Das eine sind die legitimen energiepolitischen Interessen, das andere ist die Frage des Preises«, erklärte Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne).

Unbestritten ist: Sollte es je zu einer Offerte des Konzerns kommen, dürfte ein solcher Deal für Berlin noch einmal deutlich teurer werden als der Rückkauf des Stromnetzes im vergangenen Jahr, für den Vattenfall mehr als zwei Milliarden Euro gezahlt wurden. Ein Unding, findet die Grüne Jugend. Der Vorstoß des »Greenwashing-Konzerns« Vattenfall sei doch durchsichtig, sagt Luna Afra Evans: »Die Berliner*innen sollen jetzt, wo das Geschäft für den Konzern nicht mehr lukrativ ist, die Kosten tragen.«

Warum überhaupt zahlen, wenn man auch enteignen kann, sagt deshalb der Berliner Grünen-Nachwuchs, der – wenig verwunderlich – auch hinter dem Volksentscheid der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen steht. Bekanntlich ein kniffliges Unterfangen mit, optimistisch gesprochen, offenem Ausgang. Nicht weniger kompliziert dürfte sich die Vergesellschaftung des Wärmenetzes gestalten. »Wir sehen die Vergesellschaftung kapitalistischer Konzerne als wichtiges Mittel, um die elementaren Grundbedürfnisse der Berliner*innen zu sichern«, sagt Evans.

Die Begeisterung bei der Grünen-Landesspitze hält sich schwer in Grenzen. »Eine Vergesellschaftung des Fernwärmenetzes wird derzeit nicht in der Koalition diskutiert«, teilt Caspar Spinnen, Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, »nd« kurz und knapp mit. Luna Afra Evans sagt, ihr sei bewusst, dass das Thema nicht auf der Agenda stehe: »Es gibt gemischte Reaktionen auf unsere Forderung. Aber wir sehen uns generell als Stachel gegenüber der Partei.«

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