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Linke-Bahnexperten fordern Änderungen nicht nur bei den Stammbahn-Planungen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 4 Min.
Bis am Fernbahnsteig des Bahnhofs Berlin-Zehlendorf wieder Züge halten, wird es noch lange dauern.
Bis am Fernbahnsteig des Bahnhofs Berlin-Zehlendorf wieder Züge halten, wird es noch lange dauern.

»Die Entscheidung zur Potsdamer Stammbahn folgt einem richtigen Grundansatz«, lobt die IG Nahverkehr der Berliner Linkspartei den Ende Mai von Berlins Mobilitätssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) und Brandenburgs Infrastrukturminister Guido Beermann (CDU) verkündeten Beschluss, die Verbindung als Teil des bundesweiten Eisenbahnnetzes wiederaufbauen zu wollen. Die 1838 als erste Eisenbahnverbindung Preußens in Betrieb genommene Strecke führte in nahezu gerader Linie vom Potsdamer Platz in Berlin über Zehlendorf und Griebnitzsee nach Potsdam. Seit Sprengung der Brücke über den Teltowkanal im April 1945 fahren über diese Strecke keine Züge mehr zwischen den beiden größten Städten der Region.

Doch die Bahnexperten der IG Nahverkehr der Linken wollen Korrekturen im Detail. Sie fordern in ihrem vor wenigen Tagen verabschiedeten Papier, »die Wannseebahn wieder mit einzubeziehen und auf eine neue aufwendige Südostkurve in Kohlhasenbrück zu verzichten«.

Auf der Strecke der Wannseebahn, die am Bahnhof Berlin-Zehlendorf von der Stammbahn abzweigt, liegt neben den beiden Gleisen der S1 auch noch ein Gütergleis. Dessen Nutzung ist in den viereinhalb Jahren, die die beiden Länder, die Deutsche Bahn und der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) für Grundlagenermittlungen und Variantenuntersuchungen zur Wiederinbetriebnahme der Verbindung im Rahmen des gemeinsamen Infrastrukturprojekts i2030 brauchten, im Spiel gewesen, allerdings verworfen worden. Stattdessen ist nun vorgesehen, die wiederaufgebauten Stammbahngleise nicht nur auf die Strecke des RE1 Richtung Magdeburg einfädeln zu lassen, sondern mittels einer neuen Verbindungskurve auch auf die Gleise des RE7 Richtung Dessau.

Die Linke-Bahnexperten befürchten, dass diese neue Verbindung mit aufwendigen Rampen und Brücken kreuzungsfrei angelegt werden müsste, um die Streckenkapazität dadurch nicht zu reduzieren. »Mit diesen Bauwerken kommen hohe Zusatzkosten und weitere Eingriffe in die Wald- und Heidelandschaft hinzu, die – anders als beim Wiederaufbau der historischen Trasse – gegenüber bestimmten Interessengruppen (Naturschützer, Anwohner) schwer zu rechtfertigen sind und zu langwierigen Auseinandersetzungen führen können«, heißt es in dem Papier. Außerdem sei mit einer »noch späteren Inbetriebnahme« zu rechnen, wird gewarnt. Offiziell wird bisher kein Eröffnungsdatum genannt, realistisch könnte es mit den aktuellen Planungs- und Realisierungszeiträumen auf eine Wiederinbetriebnahme bis zum 200. Jubiläum der Strecke im Jahr 2038 hinauslaufen.

Die IG Nahverkehr plädiert für die zusätzliche Nutzung des Gütergleises zwischen Wannsee und Zehlendorf aus gleich mehreren Gründen. Einerseits könnten so Umsteigepunkte am S-Bahnhof Wannsee sowie künftig am S-Bahnhof Mexikoplatz erreicht werden. Dorthin soll bekanntlich in den nächsten Jahren die U3 vom bisherigen Endbahnhof Krumme Lanke verlängert werden. Mobilitätssenatorin Jarasch rechnet mit einem ersten Spatenstich für die rund einen Kilometer lange Neubaustrecke im Jahr 2026. Andererseits könnten die Verstärkerzüge des RE7 bis in die Berliner Innenstadt geführt werden. Ab Dezember sollen im Berufsverkehr auf Teilstrecken der Linie zwei Züge stündlich verkehren, wegen mangelnder Kapazität auf der Stadtbahn müssen sie allerdings in Wannsee enden. »Wenn die Planungen ernsthaft beginnen, sollte das noch mal thematisiert und geändert werden«, fordert die IG Nahverkehr in ihrem Papier.

Ende Juni hat der Lenkungskreis i2030 die im Mai von der Senatorin und dem Minister verkündete Entscheidung zum Wiederaufbau der Potsdamer Stammbahn »als elektrifizierte, zweigleisige Strecke für Regionalzüge zwischen Griebnitzsee, Zehlendorf und Potsdamer Platz« noch formal bestätigt, wie der VBB mitteilte. »Da die geplanten Verkehre mit bis zu vier Regionalzügen pro Stunde nicht alle über den stark ausgelasteten Nord-Süd-Fernbahntunnel geführt werden können, sollen Verbindungen zukünftig auch über die ›Kurve Schöneberg‹ und den Berliner Innenring in Richtung Berlin-Ostkreuz fahren«, heißt es weiter. Zwischen Schöneberg und Treptower Park müsse die Strecke dafür elektrifiziert und zweigleisig ausgebaut werden.

»Dieses Vorhaben ist zu begrüßen, aber die Begründung ist falsch; es ist keine Folge oder Voraussetzung der Potsdamer Stammbahn«, kommentiert das die IG Nahverkehr. Hartnäckig werde die Aussage wiederholt, dass Nord-Süd-Tunnel und die oberirdische Stadtbahn in Ost-West-Richtung überlastet seien. »Die viergleisige Nord-Süd-Verbindung ist mit zehn bis zwölf Zugpaaren pro Stunde bei Weitem nicht ausgelastet, wird aber bei weiteren Angebotsverdichtungen in der Zukunft bei Beibehaltung der gegenwärtigen Betriebsabwicklung an ihre Belastungsgrenze kommen«, so die Experten. Das unter anderem aus Fahrgast- und Umweltverbänden und -initiativen, den brandenburgischen Industrie- und Handelskammern und Wissenschaftlern bestehende Bündnis Schiene Berlin-Brandenburg hat bereits vor Jahren ein Konzept vorgelegt, bei dem durch eine Neuordnung der Linien im Tunnel die Kapazität deutlich gesteigert werden könnte. Das gelingt vor allem durch die Vermeidung von Gleiswechseln der einzelnen Züge.

»Der südliche Innenring ist ein notwendiges eigenständiges Projekt, aber nicht nur ab Schöneberg, sondern von Westkreuz bis Treptower Kreuz«, so die Einschätzung der Bahnexperten der Linkspartei. Im Zusammenhang mit der Potsdamer Stammbahn sei es allerdings sinnvoll, wenn außer zum Nord-Süd-Tunnel auch Züge über den Ring am Fernbahnhof Südkreuz halten. Dafür müsste, wie nun auch offiziell vorgesehen, die Verbindungskurve am Bahnhof Schöneberg wieder aufgebaut werden. Für den Bahnhof Südkreuz fordert die IG Nahverkehr an der Ringstrecke einen »fernverkehrstauglichen Regionalbahnsteig«.

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