Mit dem Schlagstock gegen Bauern

Philippinens neuer Präsident Ferdinand »Bongbong« Marcos regiert von Beginn an mit harter Hand

  • Anselm Schindler, Manila
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Wahlplakate hängen noch in Manila, der Hauptstadt der Philippinen. Und es sind Millionen, weil in dem Inselstaat die Summe, die für den Wahlkampf ausgegeben werden kann, nicht reguliert wird. Gewonnen hat bei den Parlamentswahlen im Mai einer der reichsten Männer des Landes: Ferdinand Marcos, Sohn des früheren Diktators. Die Wahlen hat Marcos auch mit dem Versprechen für sich entschieden, die steigenden Preise zu senken: »20 Pesos pro Kilo Reis« war einer seiner Slogans. Doch rund zwei Monate nach dem Urnengang sieht es nach dem Gegenteil aus: Das Kilo Reis kostet vielerorts inzwischen mehr als 40 Pesos, umgerechnet 70 Cent. Das klingt nach nicht viel, aber für einen Großteil der Menschen im Land macht es einen großen Unterschied. Dazu muss man wissen, dass das Durchschnittseinkommen bei rund 400 Pesos am Tag liegt, das entspricht rund sieben Euro.

Mit der Armut wächst der Ärger. »Wir sind wütend, die Regierung hält ihre Versprechen nicht!«, erklärt Mercedes Villasin, der an einem Montagvormittag gemeinsam mit vielen anderen Aktivist*innen vor dem Landwirtschaftsministerium in Manila gegen die steigenden Preise protestiert. Villasin ist Vorsitzender von Socialista, einer linken Organisation, die die Proteste mitorganisiert. Die Forderung der Demonstranten ist einfach: Noch innerhalb der ersten 100 Tage seiner Präsidentschaft soll Marcos seine Wahlversprechen umsetzen. Das wäre spätestens im August.

Es sind nicht die Kleinbauern, sondern die Großgrundbesitzer, die von der Preissteigerung profitieren. Denn mehr als zwei Drittel der philippinischen Landwirte verfügen über kein eigenes Land. Sie arbeiten auf dem Land von Großgrundbesitzern, von denen sie bezahlt werden oder an die sie einen Teil ihrer Ernte abgeben müssen. An der Landfrage entzündeten sich in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gesellschaftliche Auseinandersetzungen, die teils militant geführt werden. Die New People’s Army (NPA), der bewaffnete Arm der verbotenen Kommunistischen Partei der Philippinen, erlangte gerade im Süden des Landes immer wieder Kontrolle über Gebiete und enteignete dort die Großgrundbesitzer. Nicht zuletzt um der NPA, die auch heute noch aktiv ist, den Wind aus den Segeln zu nehmen, versprach Rodrigo Duterte, Marcos’ Vorgänger, weitreichende Agrarreformen. Mit den Reformen will der Staat Land an landlose Bauern verteilen.

Die Umsetzung der Reformen läuft allerdings schleppend. Das führt immer wieder dazu, dass Bauern das Problem selbst in die Hand nehmen. So wie das im Juni in Tinang passiert ist, einem Dorf einige Dutzend Kilometer Schlaglochpiste nördlich von Manila. Dort haben Bauern, unterstützt von Anwält*innen und Aktivist*innen, auf einem Feld für eine schnellere Umsetzung der Reformen demonstriert. Sie begannen ein Feld zu pflügen, das ihnen laut Reform zugeteilt werden soll, das sich allerdings noch nicht offiziell in ihrem Besitz befindet.

»Die Aktion war friedlich, aber dann kam die Polizei und hat angefangen, uns mit Stöcken zu schlagen, zu schubsen und hat rund 90 Menschen brutal festgenommen«, berichtet Ciarra Flores. Flores ist Vorsitzende der Rural Women Advocates (Ruwa), was zu Deutsch so viel wie »Fürsprecherinnen der Landfrauen« bedeutet. Ruwa ist ein Zusammenschluss von Anwälten und Aktivisten, der sich für die Rechte von Bauernfamilien, und speziell für die Belange von Bäuerinnen einsetzt. Tagelang kam es zu Demonstrationen gegen die Festnahmen, an denen sich neben Ruwa weitere Organisationen beteiligten. Dann wurden alle Festgenommenen freigelassen, jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des nicht genehmigten Protestes gegen sie.

Flores und viele andere Aktivisten treibt die Angst um, dass sich die Repression zuspitzen und die Gewalt eskalieren könnte. So wie im Oktober 2018, als auf Negros, einer der vielen Inseln der Philippinen, neun Bauern erschossen wurden, die das Land eines Großgrundbesitzers besetzt hatten. Die Föderation der Zuckerarbeiter (NFSW) vermutete damals rechte Paramilitärs hinter den Morden.

Staatliche Repression gegen Oppositionelle und generell gegen Menschen, die sich wehren, ist auf den Philippinen stark mit dem Begriff des Red-Tagging verbunden. Red-Tagging bezeichnet das staatliche Outing von Einzelpersonen und Organisationen als kommunistisch. Diese Form der Repression wurde im Zuge des Kalten Krieges entwickelt, der in Asien an vielen Fronten ein heißer war. Sie wandte sich schon damals nicht nur gegen die NPA-Guerilla, sondern gegen alle, die der Regierung unliebsam waren. Nach dem Ende des Kalten Krieges ist das Red-Tagging geblieben und trifft auch heute noch Menschenrechtsaktivist*innen, kritische Geistliche, linke Anwält*innen. Und die Repression endet oft tödlich. Wer markiert ist, landet schnell auf der Abschussliste von Polizei, Militär, und Milizen. Dutzende Menschen, die in den vergangenen Jahren als NPA-Unterstützer*innen getaggt wurden, verschwanden spurlos oder wurden erschossen.

Auch im Streit um die Felder in Tinang wurde den Tinang 83 von Regierungsmedien pauschal unterstellt, mit der NPA zusammenzuarbeiten, ohne dass dafür irgendwelche Beweise angeführt wurden. »Das zeigt, dass das Red-Tagging und die bauernfeindliche Politik Dutertes auch unter Marcos fortgesetzt werden«, erklärt RUWA-Aktivistin Flores dazu. »Und es ist klar, dass die Repression und Armut, unter der die Bauern leiden, nicht nur die Bauern treffen, sondern eine ganze Nation, die von den Landwirt*innen als Nahrungsmittelproduzenten abhängig ist.«

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