Deutsche Bahn macht wieder Gewinn

Trotz vieler Verspätungen und Überlastungen schreibt der DB-Konzern schwarze Zahlen

Die Deutsche Bahn (DB) ist im ersten Halbjahr 2022 in die Gewinnzone zurückgekehrt. Von Januar bis Juni stand ein operatives Ergebnis von 876 Millionen Euro unter dem Strich, wie der Konzern am Donnerstag mitteilte. Im gleichen Zeitraum vor einem Jahr stand an der Stelle noch ein Minus von über einer Milliarde Euro. Der Umsatz stieg in den sechs Monaten im Vorjahresvergleich um 28,4 Prozent auf rund 28 Milliarden Euro. »Die Nachfrage boomt und wir schreiben wieder schwarze Zahlen«, erklärte Bahn-Chef Richard Lutz.

Allein im Fernverkehr verzeichnete die Deutsche Bahn im ersten Halbjahr mehr als 59 Millionen Reisende. Das waren mehr als doppelt so viele wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Im Regionalverkehr stieg die Nachfrage um 60 Prozent auf rund 725 Millionen Fahrgäste. Einen großen Anteil daran dürfte das im Juni von der Bundesregierung eingeführte 9-Euro-Ticket haben. »Die schnelle Rückkehr unserer Reisenden zeigt: Es war goldrichtig, auch in schwierigen Zeiten Kurs zu halten und uns mit neuen Zügen, besseren Angeboten und mehr Personal für kräftiges Wachstum aufzustellen«, so Lutz. In diesem Jahr habe der Konzern bereits 19 500 Jobzusagen gemacht.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Deutschen Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, kritisierte am Donnerstag im rbb24 Inforadio das 9-Euro-Ticket. Mit diesem sei ein zusätzlicher Verkehr in die Eisenbahn hineingebracht worden, was dem System nicht gut tue, »weil es sowieso schon auf Verschleiß gefahren wird. Jetzt sind wir zusätzlich noch völlig überlastet«, so Weselsky. Er könne von einer Verlängerung des 9-Euro-Tickets nur abraten.

Auch Bahn-Chef Lutz räumte ein, dass die Schieneninfrastruktur mit dem Verkehrszuwachs nicht mithalten könne. Im ersten Halbjahr 2022 kamen nur 69,6 Prozent der Fernverkehrszüge pünktlich ans Ziel. In den ersten sechs Monaten des Vorjahres waren es noch 79,5 Prozent. Qualität und Pünktlichkeit seien derzeit »nicht akzeptabel«, erklärte Lutz. Deshalb bauten Bahn und Bund das hoch belastete Netz weiter aus. Eine Generalsanierung der am stärksten befahrenen Korridore beginne ab 2024.

Den größten Anteil am finanziellen Erfolg im ersten Halbjahr 2022 hatte allerdings die Bahn-Tochter Schenker. »Sie konnte ihren operativen Gewinn im Vergleich zu den ersten sechs Monaten 2021 auf rund 1,2 Milliarden Euro fast verdoppeln«, so der Konzern. Weselsky forderte, die Bahn solle sich auf ihr Kerngeschäft in Deutschland konzentrieren. Die weltweite Expansion als Logistikunternehmen halte er für falsch. Er könne sich einen Verkauf von Schenker vorstellen: »Wir sind kein Logistiker, wir sind eine Eisenbahn«, so Weselsky. »Wir müssen nicht alles bedienen, sondern wir müssen erst mal unsere Hausaufgaben machen: Eisenbahn in Deutschland – sicher, zuverlässig und pünktlich.«

Das gute Ergebnis der Bahn-Tochter Schenker dürfte auch die politische Debatte über einen möglichen Verkauf weiter befeuern. Politiker von FDP und Grünen hatten sich im Februar dafür ausgesprochen, dass sich die Deutsche Bahn von Schenker trennt. Das soll Schulden abbauen und den Konzern effizienter machen. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG sprach sich hingegen gegen einen Verkauf aus. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat sich bisher nicht zu Schenkers Zukunft festgelegt.

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