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Neue Mondflüge und alte Fragen

Der aktuelle Wettlauf hat Mitspieler jenseits der alten Großmächte. Und diesmal ist langfristige Forschung geplant

  • Ilka Petermann
  • Lesedauer: 8 Min.
Eine Raumstation im Mondorbit soll der erste Schritt des neuen bemannten Mondprogramms von USA, Westeuropa und Japan werden.
Eine Raumstation im Mondorbit soll der erste Schritt des neuen bemannten Mondprogramms von USA, Westeuropa und Japan werden.

Es wird voll auf dem Mond: Alte Bekannte und neue Besucher drängen auf den irdischen Begleiter, mit Rovern, Landemodulen und in wenigen Jahren auch wieder mit irdischen Fußgängern auf lunarem Boden. Zahlreiche neue Mondmission stehen schon in den Startlöchern mit dem großen Ziel, unseren Trabanten besser zu verstehen.

Bald fünfzig Jahre ist es her, dass Harrison Schmitt und Eugene Cernan die Tür hinter sich schlossen und zurück nach Hause flogen. Seitdem haben wir zwar immer mal »angerufen«, kleinere und größere Pakete geschickt und natürlich des Nachts unsere Teleskope auf ihn gerichtet – nur Besucher, die hat unser Mond seit »Apollo 17«, der letzten Mission des Apollo-Programms, und der Landung am 11. Dezember 1972 tatsächlich keine mehr bekommen.

Insgesamt 122 Mondmissionen, rund die Hälfte davon konnte teilweise erfolgreich oder vollständig durchgeführt werden, gab es seit dem Start von »Luna 1« (Sowjetunion) und »Pioneer 4« (USA) im Jahr 1959. Die ein Jahr früher gestarteten insgesamt sieben Sonden der beiden Länder erreichten nach Fehlstarts nicht ihr Ziel. Seitdem hat der Mond eine große Anzahl irdischer Besuche über sich ergehen lassen: Mit »Luna 2« schlug 1959 der erste künstliche Flugkörper geplant hart auf dem Mondboden auf, sieben Jahre später landete »Luna 9« dort weich und schickte Panoramabilder zurück zur Erde, bis die Batterien erschöpft waren. Ebenfalls 1959 wurde »Luna 3« (in zeitgenössischen Berichten die letzte »Lunik« genannte Sonde) ein bisschen zum Frisör und zeigte uns in 29 Bildern zum ersten Mal den »Hinterkopf« des Mondes. »Surveyor 3« ging anderen bohrenden Fragen der Wissenschaft nach und führte 1967 erstmalig ein extraterrestrisches Bohrexperiment durch. Und im Jahr 1969 war sich die Menschheit dann fast mal ein bisschen einig: Geschätzt 600 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten gebannt die erste bemannte Mondlandung, die live im Fernsehen übertragen wurde, und fieberten beim Landeanflug des »Adlers«, der Mondlandefähre von »Apollo 11«, mit. Die folgenden Apollo-Missionen brachten dann »Souvenirs« vom Mond mit: Gut 380 Kilogramm Mondgestein in 2415 Einzelproben haben ihren Weg zur Erde und die Labore genommen, wo sie seitdem mit stetig verfeinerten Analysemethoden untersucht werden.

Bis zum Jahr 1989 gab es mit den USA und der Sowjetunion nur zwei Mitspieler im prestigeträchtigen Wettlauf um wissenschaftlich-technische Erfolge bei der Monderkundung. Das änderte sich 1990, als Japan mit seiner Sonde »Hiten« und dem Tochterorbiter »Hagoromo« seine erste Mondmission (teilweise) erfolgreich startete. Das Technologieexperiment hatte zwar keine wissenschaftliche Nutzlast an Bord, absolvierte jedoch einen erfolgreichen Vorbeiflug und die Aussetzung von »Hagoromo« in einen Mondorbit. Im Jahr 2004 wurde der Mond dann zum »Bremsklotz« für den ersten europäischen Besucher: »Smart-1« erreichte eine Umlaufbahn um unseren Trabanten und stürzte im September 2006 planmäßig ab. Kurz darauf, im Jahr 2007, startete die erste Mondmission der Volksrepublik China, bei welcher der Orbiter »Chang’e 1« erfolgreich in eine Mondumlaufbahn einschwenkte, gefolgt vom indischen Orbiter »Chandrayaan-1« (bei Missionskosten von insgesamt 57 Millionen US-Dollar die bisher günstigste Mondmission) ziemlich genau ein Jahr danach, im Oktober 2008. Gut zehn Jahre später startete mit »Beresheet« das erste israelische und rein privat finanzierte Mondlandegerät, das nach Problemen im Landeanflug jedoch hart auf der Mondoberfläche aufschlug.

Und die nächsten Länder haben ihre Startsequenzen schon – mehr oder weniger – eingeleitet: Der Start des »Korea Pathfinder Lunar Orbiter« der Südkoreanischen Luft- und Raumfahrtagentur ist für August 2022 angesetzt und soll neben Tests der Kommunikation mit der Bodenkontrolle, technischen Prüfungen auch wissenschaftliche Experimente durchführen. So wird etwa die hochsensible Schattenkamera (ShadowCam) erstmalig mit sehr hoher Auflösung jene dauerhaft im Schatten liegenden Mondgebiete in den Fokus nehmen – und nach ungewöhnlichen geologischen Merkmalen und Hinweisen auf Wassereis, etwa in Polarkratern, suchen. Ein weiteres Instrument wird die Mondoberfläche im polarisierten Licht kartographieren – ein Novum, von dem sich Wissenschaftler Einblicke in die Größe und Struktur der Oberflächenmaterie erhoffen.

Die japanische Mission »SLIM« plant, den Nagel auf den Kopf zu treffen, oder genauer: der smarte Mini-Mondlander (Smart Lander for Investigating Moon, engl. für »geschicktes Landemodul zur Untersuchung des Mondes«) soll, gedämpft durch einen Airbag, punktgenau auf der Mondoberfläche landen. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu Folgemissionen, die präzise lokalisierte Landemanöver erfordern.

Besonders eilig hat es die Mondmission der Vereinigten Arabischen Emirate mit dem Mondrover »Rashid«: Sah der ursprüngliche Zeitplan eigentlich einen Start im Jahr 2024 vor, so wurde der inzwischen auf den Oktober 2022 vorverlegt. Der Rover verfügt über zwei hochauflösende Kameras, eine Wärmebildkamera und weitere Experimente, die etwa den Mondstaub genauer untersuchen sollen. Und mit »Luna 25« ist eine russische Raumsonde geplant – deren Planung seit 1997 jedoch immer wieder geändert wurde und deren Starttermin, besonders durch die aktuelle Kriegssituation in der Ukraine, weiterhin unklar ist.

Und auch alte Bekannte planen, dem Mond wieder einen Besuch abzustatten – diesmal ist die Schwester dran: das Nasa-Programm »Artemis«, benannt nach der griechisch-mythologischen Mondgöttin und Zwillingsschwester des auf dem Mond so erfolgreichen Apollo. Das Artemis-Programm ist ein bemanntes Raumfahrtprojekt, das mit einer ersten unbemannten Mission im Jahr 2022 (»Artemis 1«) starten soll, um das Raumfahrzeug »Orion« zu erproben, das in Zusammenarbeit mit der Esa entwickelt wurde und für bis zu vier Besetzungsmitglieder ausgelegt ist. Die erste bemannte Mission (»Artemis 2«) war für das Jahr 2024 vorgesehen – was sich aus finanziellen und technischen Gründen aber um mehrere Jahre verzögern könnte. Und im Rahmen von »Artemis 3« ist dann auch wieder eine Mondlandung vorgesehen. Dieses Mal soll eine Astronautin dabei sein, die als erste Frau den Mond betreten wird. Für das achtzehnköpfige Astronautenteam der Mission wurden so auch insgesamt neun Frauen und neun Männer ausgewählt und trainiert. Ganz so lang hat es übrigens nicht immer gedauert: Mit Walentina Tereschkowa flog die erste Kosmonautin bereits im Juni 1963 in den Weltraum – nur gut zwei Jahre nach Juri Gagarin, der im April 1961 der erste Mensch im Weltraum war. Jüngste Vereinbarungen der Nasa mit Japan und der europäischen Raumfahrtagentur Esa lassen hoffen, dass auch ein japanischer und ein europäischer Astronaut auf dem Mond landen werden.

Auf all diese geplanten Missionen ließe sich natürlich schon einmal (wenn auch etwas vorzeitig) anstoßen – am besten mit einem schönen Glas Wasser. Womit man dann wieder auf die Frage kommt, die seit den ersten und auch mit den neuen Mondmissionen weiter aktuell bleibt: Gibt es nun Wasser(-eis) auf dem Mond oder nicht?

Mitte des 19. Jahrhunderts machte man sich dazu erste Gedanken. Immer genauere Beobachtungen des Mondes zeigten keinerlei Wettererscheinungen und so schloss man: Der Mond besitzt nicht nur keine Atmosphäre, sondern auch keinerlei Wasser. Die 1976 gestartete sowjetische »Luna-24«-Mission rüttelte dann als erste ein wenig an dieser Auffassung: Die Analysen des mitgebrachten Mondgesteins (ganze 170 Gramm) deuteten darauf hin, dass es zwar nicht gerade feucht-fröhlich auf dem Mond zugeht, doch fanden die Wissenschaftler erste Hinweise auf Wasser im Mondgestein. Mit der Nasa-Sonde »Lunar Prospector« verdichtete sich dann mittels Neutronenspektroskopie der Hinweis auf Wassereis an den schattigen Mondpolen, das sich mit Gestein vermischt in Kratern der direkten Sonneneinstrahlung entzieht. Neue Untersuchungen von Apollo-Material konnten dann, mit erheblich verbesserter Sensitivität, im Jahr 2008 auch Wasser in geschmolzenen Glaskügelchen im Mondgestein nachweisen.

Und dann natürlich ein stürmischer Applaus für »Chang’e 5«, jener Raumsonde der Volksrepublik China, die im Dezember 2020 im »Oceanus Procellarum« (Ozean der Stürme) landete und per Rückführmission insgesamt 1731 Gramm Staub und Stein zurück zur Erde brachte. Das gesammelte Gestein ist mit einem Alter von 1,96 Milliarden Jahren rund eine Milliarde Jahre jünger als die bislang gesammelten Proben und erlaubt es, die Entwicklung des Mondes, insbesondere seine vulkanische Aktivität, genauer zu untersuchen. Beim Anflug gelang es »Chang’e 5« erstmals, in Echtzeit Wasser in der Umgebung des Landeplatzes nachzuweisen, wozu die Sonde das spektrale Reflexionsvermögen des bodenbedeckenden Regolith, eines steinigen Lockermaterials, vermaß. Erste Ergebnisse zeigen, dass der Hydroxylgehalt (Hydroxyl steht für die chemische Gruppe OH, eine Bindung aus einem Wasserstoff- und einem Sauerstoffatom) am Landeplatz einen mittleren Wert von 28,5 ppm (Teilchen pro Million) aufweist, was eher am unteren Ende der bekannten, hydroxylhaltigen Gesteine liegt. Analysen des von »Chang’e 5« zur Erde zurückgebrachten Mondgesteins wiesen vergleichbare Werte auf und können in folgenden Untersuchungen helfen, den Ursprung von Hydroxylgruppen beziehungsweise Wasser auf dem Mond besser zu verstehen.

Anders als dem Mondgestein, gesammelt von »Apollo« oder »Chang’e 5«, vom großen Brocken bis zum feinsten Staubkörnchen, wurde dem Raumanzug, den Neil Armstrong bei seinen berühmten ersten Schritten trug, lange Zeit nicht allzu viel Aufmerksamkeit geschenkt. Als Einweganzug konzipiert, nagte der Zahn der Zeit an dem rund 30 Kilogramm schweren und aus bis zu 21 Stofflagen bestehenden Overall. Im Jahr 2015 startete das Nationale Luft- und Raumfahrtmuseum in Washington schließlich eine Crowdfunding-Kampagne, um das benötigte Sümmchen zur umfangreichen Restauration, geschätzt wurden rund eine halbe Million Dollar (für 200 000 Dollar mehr gab’s die Aufarbeitung von Alan Shephards Anzug dazu), aufzubringen. Die Finanzierung war in kürzester Zeit erfolgreich, und so konnte das stabilisierte Stück schließlich 2019 im Rahmen der Jubiläumsausstellung zur »Apollo-11«-Mondlandung den Besucherinnen und Besuchern vorgeführt werden. Wo in rund 50 Jahren die Raumanzüge der Artemis-Mission ausgestellt werden, steht noch in den Sternen; ob in einer irdischen Ausstellung oder vielleicht in einem Museum auf dem Mond – wir werden berichten.

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