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- Brand im Grunewald
Komplett aus der Zeit gefallen
Sprengplätze gehören nicht in Wälder, findet Rainer Rutz
Nachdem schon vor einer Woche eine kleine Forstfläche am Wannsee im Südwesten Berlins für wenige Stunden in Flammen gestanden hatte, war es im Grunde nur eine Frage der Zeit, bis es an anderer Stelle richtig brenzlig wird. Selbst wenn sich die Ursachenforschung noch hinzieht, wirft der am Donnerstagmorgen ausgebrochene Brand im Grunewald schon jetzt vor allem eine Frage auf: Wie kann es sein, dass es heute, nach so vielen Dürrejahren hintereinander, inmitten eines deshalb ausgezehrten Forsts noch immer einen Sprengplatz der Polizei Berlin gibt? Wenn es in Brandenburgs kampfmittelverseuchten Wäldern im Zuge von Bränden knallt, heißt es: Ach ja, die Folgen des Zweiten Weltkriegs. Bei dem Feuer im Grunewald rund um das laut Polizei zweimal im Jahr jeweils für mehrere Tage für kontrollierte Sprengungen genutzte Gelände liegt die Sache aber anders.
Sicher, irgendwo muss beispielsweise die meist bei Bauarbeiten im Berliner Untergrund gefundene Weltkriegsmunition hochgejagt werden – aber doch nicht mitten im Wald! Wie sehr aus der Zeit gefallen ist, bitte, ein solcher Standort? Die Erklärung der Polizei, in Berlin seien keine alternativen Nutzungsflächen vorhanden beziehungsweise genehmigungsfähig, ist in dieser Hinsicht dürftig, zumal es ohnehin Aufgabe des Berliner Senats ist, entsprechende Flächen für Sprengplätze ausfindig zu machen. Vermutlich kämen dafür am ehesten dünn besiedelte und selbstredend waldlose Gegenden außerhalb Berlins in Betracht. Und schließlich rühmt sich doch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) immer wieder dafür, die Beziehungen zu Brandenburg auf eine neue Ebene heben zu wollen. Giffeys Ankündigung, mit der Landesregierung in Potsdam über das Problem reden zu wollen, ist insofern erst einmal zu begrüßen.
Und die Zeit drängt. Denn der Umbau der Wälder zu klimaresilienten Mischvegetationen wird noch viele Jahrzehnte dauern. Bis dahin wird es immer wieder, immer häufiger, immer extremer brennen. Irgendwann auch wieder in der Nähe vermeintlich alternativloser Sprengplätze.
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