Gute Zahlen, trübe Aussichten

Haushaltslage des Landes Berlin hat sich zunächst besser entwickelt als erwartet

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 3 Min.

Die gute Nachricht vorweg: Die Einnahmen des Landes Berlin haben sich in den ersten sechs Monaten dieses Jahres durchaus ansehnlich entwickelt und liegen deutlich über den Ausgaben. Das geht aus dem sogenannten Statusbericht zum Landeshaushalt hervor, den jetzt Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) vorgelegt hat. Der positive Finanzierungssaldo belief sich demnach auf 2,3 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im ersten Halbjahr 2021 überstiegen die Ausgaben die Einnahmen noch um 58 Millionen Euro.

Die schlechte Nachricht ist, dass die auf den ersten Blick so günstige haushaltspolitische Lage der Stadt nicht von Dauer sein dürfte. »Wir reden hier von einer Momentaufnahme«, sagt Wesener am Dienstag im Anschluss an die Senatssitzung. Und: »Das ist alles andere als repräsentativ.« Die Zahlen seien »zwar ein Grund, sich zu freuen, aber nicht paradigmatisch für das zweite Halbjahr und mit fast an absoluter Wahrscheinlichkeit grenzend nicht das Ergebnis, das wir dann zum Jahresende vorweisen können«.

Das jetzt vorgestellte positive Ergebnis beruhe zum einen auf gestiegenen Steuereinnahmen, Mehreinnahmen bei der Lohnsteuer aufgrund der stabilen Lage am Arbeitsmarkt inklusive. Im Hinblick auf die Ausgabenseite gebe es zum anderen, so Wesener, »eine relativ einfache Erklärung, und das ist die vorläufige Haushaltswirtschaft«. Zur Erinnerung: Bis zur komplett verspäteten Verabschiedung des Doppelhaushalts 2022/2023 im Juni dieses Jahres gab es in Berlin lediglich eine Art Nothaushalt, den Verwaltungen des Landes waren damit beim fröhlichen Geldausgeben enge Grenzen gesetzt.

Das ist nun vorbei, also werden viele Ausgaben in den kommenden Monaten nachgeholt. Hinzu komme, dass sich das Wirtschaftswachstum aufgrund des Krieges in der Ukraine und den damit verbundenen exorbitanten Energiepreissteigerungen mindestens abschwächen dürfte. »Und auch noch nicht mit einberechnet, aber bereits entschieden sind die Entlastungspakete des Bundes. Die zahlen die Länder nämlich mit«, so der Grünen-Politiker. Klar sei: »Wenn wir Glück haben, werden wir am Ende des Jahres einen ausgeglichenen Haushalt haben.«

Die 2,3 Milliarden Euro aus Weseners Bericht dürften dennoch Begehrlichkeiten wecken. Schon seit Längerem fordert etwa SPD-Landes- und Fraktionschef Raed Saleh, dass die im Doppelhaushalt verankerte Rücklage zum Ausgleich für besondere Energie-Härten in Höhe von 380 Millionen Euro auf eine Milliarde Euro aufgestockt wird, um auch privaten Haushalten stärker unter die Arme greifen zu können. Auch am Dienstag bekräftigte Saleh noch einmal, dass man am Freitag im Koalitionsausschuss darüber diskutieren werde, wie »diese Mehreinnahmen zum Teil zur Entlastung der Bevölkerung zurückgegeben werden«. Schließlich seien »in unserer Stadt über zwei Milliarden Euro übrig«.

Etwas zurückhaltender äußert sich Steffen Zillich, der Haushaltsexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Aus dem Bericht gehe hervor, »dass die Mehrkosten, die der öffentlichen Hand entstehen, durch die Steuermehreinnahmen mindestens ausgeglichen werden«, sagt Zillich zu »nd«. »Ich würde dabei zwar davon abraten, in allen möglichen Bereichen einen größeren Spielraum zu sehen. Aber es gibt uns Möglichkeiten, Menschen konkret zu entlasten.« Auch deshalb wolle Die Linke möglichst bald einen Nachtragshaushalt.

»Wir werden als Koalition noch viele Diskussionen über die Art der Unterstützung führen«, sagt Finanzsenator Wesener. Nichtsdestoweniger: »Das Bekenntnis dieser Koalition, gerade im Bereich der Energiekosten Entlastungen zu generieren – das steht.«

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