Rohstoffpreise auf Achterbahnfahrt

Manche Preise sind stark gestiegen, andere gefallen – aus ganz unterschiedlichen Gründen

  • Christoph Müller
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf manchen Grafiken von Rohstoffpreisen lässt sich der Überfall Russlands auf die Ukraine deutlich sehen. Der Preis für Weizen etwa lag zeitweise 46 Prozent über dem Preis am 23. Februar, dem Tag vor der Invasion. Mittlerweile ist Weizen aber sogar etwas billiger als vor dem Krieg. Das ist nicht zuletzt dem Abkommen zwischen der Türkei, Russland und der Ukraine zu verdanken, das den Export von ukrainischen Agrargütern über das Schwarze Meer ermöglicht. Etwas weniger ausgeprägt sieht man die gleiche Entwicklung beim Ölpreis. Dieser stieg in den ersten Tagen des Konflikts um ein Drittel und liegt jetzt wieder auf dem Vorkriegsniveau. Der Grund ist hier aber ein anderer: Viele Anleger befürchten eine Rezession und damit eine geringere Ölnachfrage.

Das zeigt auch der Kupferpreis, der als Frühindikator für die Konjunktur gilt und wegen seines Prognosetalents »Dr. Copper« genannt wird. Kupfer hat seit Anfang Juni die Hälfte seines Werts verloren. Auf wirtschaftliche Schwierigkeiten in China deutet derweil der Preis für Eisenerz hin. Wegen des Kollapses vieler Immobilienentwickler wie Evergrande geht dort die Nachfrage nach Baustahl zurück. Das hat dem spektakulären Anstieg des Preises für Eisenerz ein Ende gesetzt. Dieser war seit dem Beginn der Corona-Pandemie nach oben geschnellt, wohl nicht zuletzt in der Hoffnung auf einen Bauboom in China wegen der dortigen Konjunkturmaßnahmen. Zwischen Anfang 2020 bis Mitte 2021 hat sich der Preis für Eisenerz mehr als verdoppelt. Doch mittlerweile ist er wieder genau dort, wo er Anfang 2020 gestartet war.

An den Rohstoffmärkten ist aber trotz der genannten Beispiele noch lange nicht Normalität eingekehrt. Die Preise für Kohle und Erdgas liegen beide auf historischen Höchstwerten. Der Preisanstieg begann Mitte 2021 und hat sich dann mit Beginn des Krieges in der Ukraine noch deutlich beschleunigt. Heute ist Kohle viermal und Gas knapp sechsmal so teuer wie vor einem Jahr. Da Russland seine Gasexporte Richtung EU stark eingeschränkt hat, kaufen EU-Länder nun jede Ladung Flüssiggas (LNG), derer sie habhaft werden können. Das Gleiche gilt für Kohle. Vor gut einer Woche ist das EU-Importembargo für Kohle aus Russland in Kraft getreten und die EU-Länder versuchen nun ihren Bedarf mit Lieferungen aus Südafrika, Indonesien und Kolumbien zu decken.

Das ist ein Problem für Länder, die zuvor Kohle aus diesen Ländern oder LNG aus Australien und Katar gekauft haben. So ist Pakistan im Juli zum vierten Mal daran gescheitert, LNG zu kaufen. Das Land hat kein einziges Angebot bekommen. Die Folge sind Stromausfälle. Für viele andere Länder ist es die Kombination aus der wirtschaftlichen Schwächung infolge der Corona-Pandemie und den Energie- und Lebensmittelpreisen, die für große Probleme sorgt.

Dass die Preise für Lebensmittel demnächst deutlich sinken werden, ist nicht zu erwarten. Zum einen werden die Ernten immer stärker durch Extremwetter wie Dürren und Überschwemmungen dezimiert, die mit der eskalierenden Klimakrise weiter zunehmen werden. Und zum anderen ist Dünger derzeit sehr teuer. Insbesondere für die Herstellung von Stickstoffdünger wird viel Erdgas benötigt, sodass dessen Preis derzeit dem Gaspreis folgt. Aktuell ist Dünger doppelt so teuer wie vor einem Jahr und fast fünfmal so teuer wie vor zwei Jahren. Der Internationale Düngemittelverband IFA schätzt daher, dass der Einsatz von Düngemitteln in diesem Jahr um sieben Prozent zurückgeht. IFA-Chefin Alzbeta Klein warnt vor den Folgen: »Der geringere Düngerverbrauch in diesem Jahr erhöht das Risiko deutlich geringerer Ernteerträge bei der nächsten Ernte, was eine geringere Nahrungsmittelproduktion und letztlich mehr Menschen bedeutet, die von Hunger bedroht sind.«

Wie sich die Preise in den nächsten Monaten entwickeln werden, ist kaum abzuschätzen. Aus Sicht von Jefferie Curry von der US-Investmentbank Goldman Sachs ist das aktuelle Verhalten der Märkte paradox: »Heute scheinen die Rohstoffmärkte irrationale Erwartungen zu hegen, da Preise und Lagerbestände gleichzeitig fallen, die Nachfrage die Erwartungen übertrifft und das Angebot enttäuscht.« Sicher ist da nur eines: Die Rohstoffpreise sind noch immer auf Achterbahnfahrt.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal