Gewaltschutz braucht mehr Geld

Bei der Umsetzung der Istanbul-Konvention mangelt es nicht am Willen, aber an Ressourcen

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

»Googlen Sie mal die Stichworte Mädchen, Vergewaltigung, Hilfe – da werden Sie nicht viel finden.« Die Schilderungen von Marion Winterholler, die in der Berliner Beratungsstelle »Signal – Intervention im Gesundheitsbereich gegen häusliche und sexualisierte Gewalt« tätig ist, scheinen drastisch. Aber sie sind nötig, um auf die anhaltende Notlage der vielen betroffenen Frauen in Berlin aufmerksam zu machen. So seien junge, aber noch minderjährige Frauen eine Hochrisikogruppe. Beratungsangebote gebe es für sie jedoch offiziell so gut wie keine.

Winterholler klärt darüber am Montag den Gleichstellungssausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses auf, der zum ersten Mal nach der parlamentarischen Sommerpause wieder zusammentrifft. In einer Anhörung sollen Expertinnen ihre Einschätzung geben, wie es derzeit um die Umsetzung der Istanbul-Konvention im Land bestellt ist. Das 2011 beschlossene Übereinkommen umfasst die Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt. Winterholler, die jahrelang in Frauenhäusern tätig war, hat die Entwicklung der Beratungs- und Interventionsstelle, die im Zuge des Beschlusses vor zehn Jahren ins Leben gerufen worden war, von Anbeginn begleitet. Die Stelle leiste gute Arbeit, so die Sozialpädagogin, nur reiche dies bei Weitem nicht aus. Das betreffe nach wie vor auch das gesamte Hilfesystem in der Hauptstadt. »Wir haben zum Beispiel große Wissenslücken, was die langfristigen Folgen von Traumatisierung betrifft«, sagt Winterholler.

Ein Großteil der Arbeit bestehe zudem in vielen Anlaufstellen zunächst darin, sich um die medizinische Versorgung von Betroffenen zu kümmern. »40 bis 60 Prozent der Frauen tragen körperliche Verletzungen« davon, sagt die Beraterin. Dies würde aber in den Einrichtungen der Gesundheitsversorgung nicht systematisch als Folge häuslicher Gewalt erfasst. Solche Daten müssten routinemäßig abgefragt werden.

Ganz abgesehen davon sähen sich viele Opfer sexualisierter Gewalt einem Gesundheitssystem gegenüber, das auf ihre Situation unsensibel, wenn nicht gar fahrlässig reagiere. Sema Turhan-Cetin leitet für die Interkulturelle Initiative das einzige barrierefreie Frauenhaus in Berlin mit 57 Plätzen. Auch sie kritisiert in der Anhörung die mangelnde Sensibilisierung medizinischen Personals, dem allerdings eine Schlüsselposition in der Versorgung Betroffener zukomme. »Viele berichten, dass ihnen bei der Aufnahme im Krankenhaus nicht geglaubt und nicht ermöglicht werde, in privater Atmosphäre zu schildern, was ihnen widerfahren sei«, erklärt Turhan-Cetin. Im Fall von Frauen, deren Muttersprache nicht Deutsch sei, erlebe man ebenso häufig, dass keine Sprachmittler*innen zur Verfügung gestellt würden – dies allerdings auch oft vor dem Hintergrund, dass sie in den Einrichtungen einfach nicht vorhanden seien.

»Es wird dann von den Frauen erwartet, dass die das organisieren. Das geht eigentlich nicht, denn wenn nicht professionell übersetzt wird, kann es zu folgenschweren Missverständnissen kommen.« Es dürfe kein Glücksfall sein, an wen eine Frau gerate, fordert die Expertin. Gerade bei der sogenannten vertraulichen Spurensicherung sehe man überdies eine ganze Reihe folgenschwerer Mängel. Stundenlang müssten manche betroffene Frauen dafür durch die Stadt irren. Noch immer herrsche fälschlicherweise die Ansicht vor, dass dafür erst eine Anzeige bei der Polizei vorliegen müsse. So sei es aber nicht.

Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) versprach im Ausschuss, für eine Erhöhung der Mittel beim Gewaltschutz zu kämpfen.

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