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Das Geld wird knapp

Inflationsrate stieg im August auf 7,9 Prozent. Ökonomen warnen vor Kaufkraftverlusten

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Inflation hat sich wieder verschärft. Nachdem sie sich im Juni und Juli aufgrund staatlicher Maßnahmen wie dem 9-Euro-Ticket und dem Tankrabatt verringert hatte, legte sie im August wieder zu. Die Preise stiegen in diesem Monat im Schnitt um 7,9 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch nach vorläufigen Berechnungen mitteilte. Damit ist die Inflationsrate wieder so hoch wie im Mai, als sie im dritten Monat in Folge einen neuen Höchststand im vereinigten Deutschland erreichte. Im Juni und Juli lag die Teuerungsrate bei 7,6 beziehungsweise 7,5 Prozent.

Inflationstreibend wirkten wie in den anderen Monaten seit Beginn des Krieges in der Ukraine wieder die Preise für Energie und Lebensmittel. Energie war für die Verbraucher*innen im August im Vergleich zum Vorjahresmonat im Schnitt um 35,6 Prozent teurer. Lebensmittel verteuerten sich um 16,6 Prozent.

In den nächsten Monaten dürfte die Inflationsrate nochmals einen großen Sprung nach oben machen. Ab September fallen nämlich Maßnahmen wie das 9-Euro-Ticket und der Tankrabatt weg, die dämpfend auf den Preisauftrieb wirkten. Gleichzeitig sollen die Verbraucher*innen ab Oktober eine Gasumlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde zahlen. Auch wenn die Bundesregierung die Mehrwertsteuer auf diese Umlage senken will, wird dies zu einem massiven Anstieg der Inflationsrate führen. Ökonom*innen warnen bereits vor Inflationsraten jenseits der Zehn-Prozent-Marke.

Eine hohe Inflationsrate bedeutet, dass die Lohnsteigerungen nicht mehr mit den Preissteigerungen mithalten können. Darüber können auch kräftige Tarifanhebungen wie etwa zuletzt beim Bodenpersonal der Lufthansa nicht hinwegtäuschen. So seien die Nominallöhne von April bis Juni zwar um 2,9 Prozent gestiegen, wie das Statistische Bundesamt am Montag vermeldete. Da die Inflationsrate im selben Zeitraum 7,6 Prozent betrug, kam es unterm Strich zu einem Reallohnverlust von 4,4 Prozent. Dabei mussten die Beschäftigten bereits von Januar bis März einen Reallohnverlust von 1,8 Prozent verkraften.

Hinzu kommt, dass die Reallöhne, also die Kaufkraft der Beschäftigten, auch schon in den Jahren zuvor sank. Im Jahr 2020 sanken die Reallöhne aufgrund pandemiebedingter Kurzarbeit um 1,1 Prozent und auch 2021 gingen sie leicht um 0,1 Prozent zurück. Dies führt dazu, dass die Menschen weniger Geld zum Ausgeben haben. Der private Konsum dürfte entgegen der Erfahrung aus früheren Krisen nicht mehr die Wirtschaft stabilisieren, sondern Krisentendenzen verschärfen. Ökonom*innen gehen von einer Rezession im Winter aus. »Der sich abzeichnende Verlust an realer Kaufkraft – bedingt vor allem durch die hohen Energiepreise – dürfte der schärfste Gegenwind sein«, sagte jüngst Marc Schattenberg, Volkswirt und Arbeitsmarktexperte bei Deutsche Bank Research.

»Die bisherigen Entlastungsmaßnahmen haben bislang den Konsum gestützt, reichen allerdings bei weitem nicht, um die Belastungen der kommenden Monate und erst recht nicht die absehbaren Belastungen durch steigende Gas- und Strompreise 2023 auszugleichen«, erklärte der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, Sebastian Dullien. Der Privatkonsum werde als Konjunkturstütze in den kommenden Monaten wegbrechen und dürfte im Winterhalbjahr sogar zu einer spürbaren Belastung für die Konjunktur werden. »Massiv steigende Energiepreise – vor allem für Haushaltsenergie – belasten zunehmend die Kaufkraft der Deutschen und werden zu einem Rückgang des Konsums für andere Güter und Dienstleistungen führen, wenn die Bundesregierung nicht noch einmal mit einem neuen Entlastungspaket nachlegt«, so Dullien.

Derweil macht es sich bereits an manchen Stellen bemerkbar, dass den Menschen das Geld aus Sorge vor der nächsten Heizrechnung nicht mehr so locker sitzt. Am Montag vermeldete zum Beispiel das Statistische Landesamt von Mecklenburg-Vorpommern, dass in dem Bundesland die Umsätze preisbereinigt eingebrochen seien. Rechnet man die Inflation heraus, waren sie im Juni um 4,7 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Besonders traf es den Einzelhandel jenseits der Lebensmittel. Dort betrug der Rückgang 7,4 Prozent.

Doch auch der Lebensmittelhandel spürt trotz Inflation schon den Druck im Geldbeutel. Dies macht sich besonders darin bemerkbar, dass die Menschen häufiger zu kostengünstigen Eigenmarken greifen, obwohl diese sich in den letzten Monaten besonders stark verteuerten. Trotzdem sind diese noch günstiger als Markenartikel. Laut einem Bericht des »Spiegel«, der sich auf Zahlen des Marktforschungsunternehmens GfK bezieht, lag der Marktanteil von Markenprodukten im Juni noch bei 56,5 Prozent. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor waren es noch 59 Prozent.

»Die Konsumstimmung ist im Keller. Händlerinnen und Händler spüren eine zuvor nie dagewesene Verunsicherung ihrer Kundschaft und das branchenübergreifend«, verlautbarte denn auch der Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands HDE, Stefan Genth. Zwar sei die Kaufkraft grundsätzlich vorhanden, doch auch Haushalte mit mittleren und hohen Einkommen hielten sich bei ihren Einkäufen zurück. So rutschte die vom HDE in seinem Konsumbarometer berechnete Verbraucherstimmung bereits im August auf ein Allzeittief.

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