Pflegekräfte müssen putzen

Beschäftigte im Vivantes-Klinikum Neukölln beklagen Müll und Dreck

  • Claudia Krieg
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf allen Kanälen habe man den Notstand kommuniziert, erklärt eine am Klinikum Neukölln beschäftigte Pflegekraft, die ihren Namen gerade nicht in der Zeitung lesen möchte. »Es gibt Ecken im Krankenhaus, da kann man laut der Kolleg*innen niemanden mehr versorgen, so wie es in einer Klinik geschehen sollte«, sagt die gewerkschaftlich Engagierte am Donnerstag zu »nd«. Die Rede ist von ungenügend gereinigten Räumlichkeiten und von ungeleert bleibenden Mülleimern – angesichts der geforderten Hygienestandards in der medizinischen Versorgung stellt dies keine zu vernachlässigende Angelegenheit, sondern eine Gefahr für Beschäftigte und Patient*innen dar.

Das Vivantes-Klinikum Neukölln ist mit 1200 Betten eine der größten Versorgungseinrichtungen in der Hauptstadt. »Natürlich ist es deshalb hier besonders prekär«, sagt die Pflegerin.

Es mangelt laut der Schilderungen von Beschäftigten vor allem an Reinigungskräften, 60 bis 70 sollen zurzeit allein in Neukölln fehlen. Hochgerechnet auf die anderen Häuser muss von mehreren Hundert Beschäftigten ausgegangen werden, die in dem Bereich stadtweit fehlen. Dass sich die Lage weiter verschärft hat, ist kein Wunder. An den zuletzt miserablen Lohn- und Arbeitsbedingungen, die vor einem Jahr zu einem der größten Klinikstreiks der vergangenen Jahre und schließlich zu einer schwer erkämpften Tarifeinigung geführt hatten, hat sich bis dato nicht viel geändert.

Die Leute stimmten weiterhin mit den Füßen ab, »da sie nicht das bekommen, was sie sich vorgestellt hatten«, erklärt die Neuköllner Pflegekraft. Konkret heißt das: Der Tarifvertrag werde nicht in dem Maße umgesetzt wie vorgesehen. Im Fall der Beschäftigten der Vivantes-Tochterunternehmen hatte die damalige Einigung sogar teilweise zu einer schlechteren Entlohnung geführt. Von mindestens 300 Euro weniger ist die Rede.

»Die Kolleg*innen haben einfach gesagt: Es reicht uns jetzt, wir müssen etwas machen«, sagt die Gewerkschafterin zu einer Aktion, mit der Beschäftigte am vergangenen Wochenende ihrem Ärger über den Konzern Ausdruck verliehen hatten. Mit mehreren Müllsäcken – in denen sich allerdings keine hygienisch bedenklichen Materialien, sondern nur Pappe und Luftballons befanden – verrammelten sie sinnbildlich einen Eingang zum Pavillon der Geschäftsleitung des Klinikums.

Katastrophal seien die Zustände, sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Neuköllner Linksfraktion, Georg Frankl, ebenfalls am Donnerstag zu »nd«. Seine Fraktion hatte in der Bezirksverordnetenversammlung am Mittwochabend eine Entschließung abstimmen lassen wollen, mit der der Senat als Vertreter des Landes als Konzerneigner aufgefordert werden soll, sich bei der Umsetzung der Tarifverträge stärker zu engagieren. Er habe von Pflegekräften gehört, die aufgefordert worden seien, Reinigungsaufgaben zu übernehmen, erklärt Frankl. Überdies fehle es auch in der Rettungsstelle an qualifiziertem Personal.

Der Vivantes-Konzern war am Donnerstag für »nd« zunächst nicht zu erreichen. Er macht sich allerdings auch an anderer Stelle unliebsam, wie am selben Tag von Verdi Berlin-Brandenburg zu vernehmen war. Demnach will »die Personalabteilung von Vivantes die stadtbekannte Gewerkschafterin Silvia Habekost mundtot machen«, indem der langjährigen Intensivpflegerin eine Abmahnung ausgesprochen worden sei. Habekost hatte zuletzt kritisiert, dass neun Monate nach der Einigung über Entlastungstarifverträge in den landeseigenen Häusern deren Umsetzung nicht vorankomme.

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