Pipeline-Diskussionen in der sozialen Bewegung

Die hohen Energiepreise lassen viele verzweifeln und umstrittene Rufe nach Gas aus Nord Stream 2 laut werden

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Streit um unterschiedliche Positionen zum Ukraine-Krieg und vor allem um die Sanktionen gegen Russland spaltet nicht nur die Linkspartei. Auch in der sozialen Bewegung ist man sich uneins darüber. Fest macht sich der Konflikt unter anderem an der Rede von Sahra Wagenknecht in der letzten Woche im Bundestag, in der sie sich für die Öffnung der Erdgaspipeline Nord Stream 2 aussprach. Zustimmung findet diese Forderung etwa beim Aktionsbündnis Sozialproteste (ABSP), einem bundesweiten Zusammenschluss von Initiativen, die sich gegen Verarmung und Sozialabbau einsetzen. Trotz vieler unterschiedlicher Akteure im Bündnis verabschiedete das ABSP eine Erklärung unter dem Motto »Nein zu Verarmung und Krieg«, in dem es sich für die Öffnung von Nord Stream 2 aussprach. Diese Forderung wird auch in einer Petition namens »Nord Stream 2 statt Gasumlage« erhoben, die in den letzten drei Wochen mehr als 8000 Menschen unterzeichnet haben. Das sind allerdings bisher nur knapp 20 Prozent der 50 000 Unterschriften, die die Zielmarke sind. Die Begründung für die Forderung ähnelt den Argumenten, die auch Wagenknecht in ihrer umstrittenen Bundestagsrede formulierte.

Mit Nord Stream 2 liege eine fertige Gaspipeline in der Ostsee, die aus ideologischen Gründen nicht genutzt werde, heißt es da. »Immer mehr Handwerkerverbände sowie Städte und ihre Stadtwerke fordern von der Regierung die Freigabe von Nord Stream 2. Sie wissen nicht, wie ihre Unternehmen überleben sollen ohne das Gas, das diese Pipeline liefern könnte«, so der Text zur Petition. Direkt an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gerichtet ist die Frage: »Haben Sie und Ihre Regierung all das nicht bedacht oder ist es nicht mehr von Belang im erbitterten Kampf, den Sie glauben auf unserem Rücken gegen ein nach Ihrer Meinung autokratisches Russland führen zu müssen? Haben Sie sich überlegt, was den Menschen demokratische Freiheiten nützen, wenn die Lebensgrundlagen weggebrochen sind?«

Diese Forderung nach Öffnung der Pipeline sorgt nun für viele Diskussionen auch unter den Unterstützer*innen des Sozialbündnisses. »Neben zustimmenden Reaktionen gab es auch kritische Antworten: In einer Zuschrift wurde die Verbreitung des Flugblatts für eine Öffnung von Nord Stream 2 eine ›absurde Idee‹ genannt und andere sahen darin eine Positionierung ›im Sinne des Angreifers‹«, schrieb Edgar Schu vom ABSP in der aktuellen Rundmail des Bündnisses. Dort wurden auch Fehler in der Kommunikation eingeräumt. »Offenbar wäre es doch nützlich gewesen, wenn wir ein paar Worte mehr über die Beweggründe der Entscheidung des Treffens von Gera und des Ko-Kreises des ABSP verloren hätten«, räumte er ein.

Andreas Brändle, der Mitglied der Linken ist und im ABSP mitarbeitet, sieht in der Öffnung der Pipeline einen Beitrag gegen weitere Verarmung. Dass es in einem Sozialbündnis, in dem Initiativen aus Ost- und Westdeutschland zusammenarbeiten, in solchen Fragen Unterschiede gibt, ist klar. So ist für ABSP-Aktivist Peter Moser aus Zeitz selbstverständlich, dass Nord Stream 2 sofort geöffnet werden muss. »Ich halte die gegenwärtige Politik gegen Russland schädlich für die Wirtschaft in Deutschland«, erklärte er auf Nachfrage von »nd«. Wesentlich zurückhaltender äußert sich Helmut Woda, der ein Sozialbündnis aus dem westdeutschen Karlsruhe im ABSP vertritt. Gegenüber »nd« spricht er von Abwehrreaktionen und Vorbehalten in der Bevölkerung gegen Forderungen nach einer Öffnung von Nord Stream 2. Neben politischen Differenzen sieht er die Ursachen auch in fehlenden Informationen. Es werde oft schnell klar, dass viele Menschen keinen Zusammenhang zwischen den hohen Energiepreisen und den Sanktionen sehen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das beste Mittel gegen Fake-News und rechte Propaganda: Journalismus von links!

In einer Zeit, in der soziale Medien und Konzernmedien die Informationslandschaft dominieren, rechte Hassprediger und Fake-News versuchen Parallelrealitäten zu etablieren, wird unabhängiger und kritischer Journalismus immer wichtiger.

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!

Unterstützen über:
  • PayPal