FDP sieht Legitimationskrise der Ampel

Nach der Wahlniederlagenserie der Liberalen wird die Stimmung in der Bundesregierung ungemütlicher

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
FDP-Chef Christian Lindner scheint nach der Wahlschlappe in Niedersachsen mit seinem Latein am Ende zu sein. Foto: Imago/Mauersberger
FDP-Chef Christian Lindner scheint nach der Wahlschlappe in Niedersachsen mit seinem Latein am Ende zu sein. Foto: Imago/Mauersberger

In der FDP wachsen nach der Wahlschlappe in Niedersachsen die Zweifel daran, dass es eine gute Idee war, im Bund mit SPD und Grünen eine Koalition zu bilden. Nach der Sitzung des Präsidiums in Berlin erklärte FDP-Chef Christian Lindner am Montag vor Journalisten, dass das rot-grün-gelbe Bündnis an Legitimation verloren habe. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die Verluste von FDP und SPD in Niedersachsen. »Die Gewinne der Grünen gleichen diese Verluste nicht aus«, erklärte Lindner. Die Sozialdemokraten landeten zwar mit 33,4 Prozent auf Platz eins, verloren aber 3,5 Prozentpunkte. Der Verlust von 2,8 Prozentpunkten bedeutete für die FDP, dass sie aus dem Landtag in Hannover flog. Die Grünen legten 5,8 Punkte zu und kamen auf 14,5 Prozent. Sie werden voraussichtlich mit der SPD die nächste Landesregierung bilden. »Wir wünschen dieser Koalition gutes Gelingen«, sagte Lindner mit bitterem Lächeln.

Mit Blick auf das Ergebnis der niedersächsischen Landtagswahl lässt sich konstatieren, dass nur für die FDP die Lage dramatisch ist. Im Mai hatte sie auch in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein heftige Verluste erlitten. Zuvor war sie bei dem Versuch gescheitert, in den Landtag des Saarlandes einzuziehen. Nun haben sich die Freien Demokraten vorgenommen, in der Bundespolitik noch offensiver als bisher vorzugehen. Über die richtige Balance zwischen »sozialem Ausgleich, ökologischer Verantwortung und wirtschaftlicher Vernunft« im Ampel-Bündnis müsse neu nachgedacht werden, kündigte Lindner an. Obwohl er bei den Wählern bisher nicht damit punkten konnte, wiederholte der Bundesfinanzminister seine Forderung, die noch laufenden Atomkraftwerke deutlich länger am Netz zu lassen. Es spreche »physikalisch und ökonomisch alles dafür«, betonte der FDP-Chef. Außerdem sei jetzt »nicht die Zeit für zusätzliche Belastungen und Bürokratie«.

Auch in der Finanzpolitik könnte es noch Streit geben. »Es kann nicht sein, dass zwei Koalitionspartner permanent den ganzen Tag Ideen entwickeln, wie man noch mehr Geld ausgeben kann, während andere sich gleichzeitig mit der Frage beschäftigen, wie man das Ganze organisiert oder finanziert«, erklärte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai im Gespräch mit dem Fernsehsender Phoenix.

Ansonsten fällt der Partei nicht viel ein. Zumal allen wichtigen Funktionären klar ist, dass sie es mit den Konflikten nicht zu weit treiben dürfen. Ein Bruch des Bündnisses, in dem die FDP der kleinste Partner ist, würde die Freien Demokraten weiter schwächen. Der niedersächische FDP-Generalsekretär Konstantin Kuhle stellte in Hannover klar, dass das Regierungshandwerk in der Berliner Ampel besser werden müsse. Seine Partei müsse aber in der Koalition verbleiben, sagte der Vizevorsitzende der Bundestagsfraktion.

Auch personell wird es vorerst keine großen Veränderungen in der FDP geben. Lindner darf als Parteivorsitzender weitermachen. Er hat als einstiger Retter der fast schon untergegangenen Partei noch einen großen Bonus. Sollte Lindner aber erfolglos bleiben, wird seine Führungsrolle eines Tages infrage gestellt. Die nächsten wichtigen Landtagswahlen in Flächenländern finden im Herbst kommenden Jahres in Bayern und Hessen statt. Wenn dort der Wahlkampf anläuft, soll die FDP eine erfolgreichere Strategie haben. Die Freien Demokraten wollten die Sache »planvoll und mit guten Nerven« angehen, sagte Lindner. Bis zum nächsten Bundesparteitag solle »ganz ruhig« miteinander besprochen werden, was anstehe. Dieses Treffen ist im April kommenden Jahres in Berlin geplant.

SPD und Grüne sind sich bewusst, dass die Auseinandersetzungen innerhalb der Koalition an Schärfe zunehmen werden. Öffentlich äußerten sich ihre Spitzenvertreter hierzu aber zurückhaltend und mahnten Einigkeit an. »Es stärkt keinen der drei Partner, wenn wir in der Regierung offenen Streit haben wie in den vergangenen Wochen«, sagte der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil am Montag. »Damit muss jetzt Schluss sein.« Sorge um die Regierungsfähigkeit der Bundesregierung habe er nicht. Klingbeil erklärte aber auch, dass er der FDP den Einzug in das niedersächsische Landesparlament gewünscht habe.

Das gilt ebenso für den Grünen-Vorsitzenden Omid Nouripour. Er meinte, dass es in der Koalition zuletzt auch »gute Stimmung« gegeben habe, die nun nach vorne gestellt werden müsse. »Wir dürfen keine rituellen Kämpfe führen«, sagte Nouripour. Für die Grünen dürfte es ebenso wie für die SPD allerdings nicht in Frage kommen, der FDP in Zukunft noch stärker als bisher entgegenzukommen, auch nicht beim Thema Atomkraftwerke. Trotz der Krise und sogenannter Entlastungspakete, die finanziert werden müssen, haben sich die Freien Demokraten mit ihrer Forderung durchgesetzt, dass die Steuern für Vermögende und Spitzenverdiener nicht erhöht werden. Auch das Tempolimit auf Autobahnen ist mit der FDP zurzeit nicht umsetzbar. »Wenn die FDP der Meinung ist, dass man bestimmte Dinge nachjustieren muss, muss man darüber reden«, erklärte Nouripour großzügig. Allerdings liegt es nahe, dass die Grünen bei diesen Gesprächen sehr genau darauf achten werden, dass sie die großen Profiteure der rot-grün-gelben Koalition bleiben.

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