Rechtswidrige Bespitzelung

Schweriner Gericht setzt staatlicher Überwachung Grenzen

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Schweriner Verwaltungsgericht hat am Montag den Einsatz des verdeckten Ermittlers Mark Kennedy im Rahmen eines Vergleichs in Deutschland für illegal erklärt. Das Verfahren lief fast sechs Jahre. Kennedy agierte als Spitzel der britischen Polizei. Er spionierte die linke Szene verschiedener Länder vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm im Jahr 2007 aus. Dabei gab sich Kennedy als linker Aktivist mit vielfältigen Kontakten aus. Seine Enttarnung war für viele Linke ein schwerer Schock. Denn sie hatten Kennedy für einen Freund und Genossen gehalten.

Auch Jason Kirkpatrick wurde von ihm getäuscht. Der ehemalige Vizebürgermeister von Arcata in Kalifornien ist seit vielen Jahren in der Klimagerechtigkeitsbewegung engagiert und war einer der Presseverantwortlichen des breiten linken Protestbündnisses gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm. Er wählte den langen juristischen Weg, der zu dem Vergleich am Montag führte. Kirkpatrick zeigte sich gegenüber »nd« mit dem Ergebnis sehr zufrieden. »Wir haben unser Ziel erreicht. Mit dieser Erklärung, dass das Ausspionieren von Mark Kennedy in Deutschland illegal war, ist klar, dass der Staat Aktivist*innen nicht mehr so ins Visier nehmen kann, wie er das getan hat«, erklärte er. Kirkpatrick hofft, dass Klimaaktivist*innen von diesem Kampf profitieren werden. Das war sein zentrales Ziel. Finanzielle Kompensationen für die erlittene Menschenrechtsverletzung hat Kirkpatrick nie angestrebt.

In dem Verfahren zeigte sich auch, wie die zuständigen Behörden in Großbritannien und Deutschland mit allen Mitteln eine vollständige Aufklärung über die Ausmaße der Bespitzelung behindert hatten. »Akten wurden vernichtet oder aus angeblichen Sicherheitsgründen gesperrt«, konstatierte Kirkpatrick. Deswegen kam er auch nicht an die Daten, die in geheimen Untersuchungsausschüssen in Mecklenburg-Vorpommern verhandelt wurden. Die deutschen Behörden waren auch nicht bereit, die Akten aus Großbritannien hinzuzuziehen. »Ich habe nicht genügend Zeit und nicht genügend Geld für die Gerichtskosten, um weitere Aufklärung zu betreiben«, resümierte Kirkpatrick.

Weil die Staatsapparate in Deutschland und Großbritannien die Aufklärung boykottierten, konnte das Schweriner Verwaltungsgericht nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen, ob der Spitzel persönliche Informationen über Kirkpatrick an britische Polizeibehörden oder an die Landespolizei von Mecklenburg-Vorpommern weitergegeben hatte. Das gilt auch für Informationen über Aktivitäten anderer G8-Gegner*innen, die Kirkpatrick mit seinem vermeintlichen Genossen Kennedy teilte. Das Gericht sah es nach Lage der Dinge als sehr wahrscheinlich an, dass diese Daten von dem Spitzel weitergeleitet worden waren, konnte aber den letzten Nachweis nicht erbringen.

In Großbritannien laufen noch zwei Verfahren wegen des Spitzeleinsatzes. Dort wurden Untersuchungsausschüsse eingerichtet. Mehrere Frauen, mit denen der Spitzel Liebesbeziehungen eingegangen war, bekamen Schmerzensgeld.

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