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Nachts im Skulpturendepot

Schlösserstiftung startet Bau von Aufbewahrungsort für 5100 Statuen

Simulation des neuen Depots, in dem Objekte aus Stein, Porzellan, Gips, Metall oder Terrakotta gelagert werden sollen.
Simulation des neuen Depots, in dem Objekte aus Stein, Porzellan, Gips, Metall oder Terrakotta gelagert werden sollen.

Mit Ingo Mix geht die Fantasie durch. Es hört sich an, als habe der Abteilungsleiter von Bundeskulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) zu viele Filme der Reihe »Nachts im Museum« gesehen. Denn in diesen Streifen erwachen die Exponate zum Leben, sobald die letzten Besucher das Haus verlassen haben. Am Montag setzen Mix und andere in Potsdam den symbolischen ersten Spatenstich für ein neues Depot der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG). Hier an der Friedrich-Engels-Straße 78 sollen künftig die wertvollen originalen Skulpturen gelagert werden. Sie werden in den Schlossgärten in Berlin und Brandenburg schrittweise durch Kopien ersetzt, um sie nicht weiter der Witterung auszusetzen. Gegenwärtig sind sie an verschiedenen Standorten untergebracht, befinden sich teils auf Dachböden oder in Unterständen. Dieser unbefriedigende Zustand wird nun geändert, was auch die kunstwissenschaftliche Beschäftigung mit diesen Stücken erleichtert.

Anlässlich des ersten Spatenstichs stellt sich Ingo Mix nun also vor, die Skulpturen würden, wenn das Licht ausgeht, miteinander sprechen, was in den vergangenen Jahrhunderten so geschehen und wie es ihnen in der Restaurierungswerkstatt ergangen sei.

So viel blühende Fantasie benötigt der Berliner Kulturstaatssekretär Torsten Wöhlert nicht, um sich vorzustellen, was bei den Bauarbeiten alles geschehen könnte. Immer weiter steigende Preise stellen so manches Projekt bereits beim Baustart infrage. Das ist Fakt. Das weiß Wöhlert. »Dieses hier hoffentlich nicht«, bleibt er aber optimistisch. 11,6 Millionen Euro sind veranschlagt. Im August begannen die Bauarbeiten, im Juni 2024 soll alles fertig sein.

Der Entwurf des Büros von Architekt Volker Staab sieht 3900 Quadratmeter Nutzfläche auf drei Etagen für 5100 Objekte vor. Aufs Dach kommt eine Solaranlage, die nicht nur dieses Gebäude vollständig mit Energie versorgen soll, sondern auch das zur Straße hin davor platzierte Zentraldepot der Schlösserstiftung gleich mit. »Es ist der dritte Neubau seit Bestehen der Stiftung«, erklärt Generaldirektor Christoph Martin Vogtherr.

Es gibt ansonsten noch das Wissenschafts- und Restaurierungszentrum in der Potsdamer Zimmerstraße von 2017 und das erwähnte Zentraldepot von 2018. Die Skulpturensammlung gehöre zu den großen und wichtigen in Europa, betont Vogtherr. Es sei nicht nur eine der bedeutendsten Sammlungen deutscher, sondern auch französischer Skulpturen des 17. und 18. Jahrhunderts.

Wo das Depot entsteht, befand sich früher ein Reichsbahnausbesserungswerk. Das neue Gebäude kommt ohne Fenster und durch ein ausgeklügeltes Belüftungssystem auch ohne eine zentrale Klimaanlage aus. Das Regenwasser wird vom Dach zum Versickern in Mulden abgeleitet und belastet damit nicht die Kanalisation.

»Ich freue mich sehr, dass das neue Skulpturendepot so energie- und ressourcenschonend geplant ist«, lässt Kulturstaatsministerin Roth ausrichten. »Das zeugt vom großen Engagement der SPSG, nachhaltig zu bauen und zu sanieren. Damit machen wir die Bewahrung der Vergangenheit zukunftsfähig.« Roth hat am Montag andere Termine und lässt sich von Abteilungsleiter Mix vertreten. Der fabuliert nicht nur über sprechende Skulpturen, sondern hat auch ganz handfeste Informationen. So schickt er Interessierte von anderen Kulturinstitutionen gern nach Potsdam, wo sie bisher schon am Zentraldepot studieren konnten, wie sich so etwas zweckmäßig und modern einrichten lässt. Dass die Stiftung in dem Skulpturendepot ohne Klimaanlage auskommen will, hält Mix für sehr spannend. Er hat aber auch schon gehört, dass jene Schlösser doch sehr gut erhalten sind, die niemals über eine Heizung verfügten.

Ayhan Ayrilmaz, der die Architekturabteilung der Schlösserstiftung leitet, erläutert zum Schluss, wie man die Standards maximal heruntergefahren und auf alles verzichtet habe, was nicht unbedingt notwendig sei. Üblich sei bei Bauprojekten oft das Gegenteil, weil die Bauherren sich nur das Beste wünschen und weil die Honorare der Architekten nach den Kosten berechnet werden. »Manchmal staunt man, wie viel genug ist«, sagt Ayrilmaz. Nicht nur, dass auf Fenster für das Depot verzichtet wurde. Das Gebäude ist auch nicht unterkellert und insgesamt sehr zweckmäßig geplant. In punkto Nachhaltigkeit sei es »kein Tesla, sondern eher ein Lastenfahrrad, aber es reicht«, sagt Ayrilmaz.

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