BVG: Maximal 90 Prozent E-Busse bis 2035

Richtfest für neuen Betriebshof in Treptow mit viel Polit-Prominenz

So soll der neue Betriebshof aus Sicht der BVG-Planer bald aussehen.
So soll der neue Betriebshof aus Sicht der BVG-Planer bald aussehen.

»Liebe ist, wenn es elektrisch ist«, sagt Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Das sind eher unerwartete Töne für einen konservativen Politiker, wenn man sich vor Augen hält, dass derzeit Vertreter von CDU und CSU unter anderem auf europäischer Ebene dabei sind, dem Verbrennungsmotor eine Zukunft über 2035 hinaus zu bereiten.

Doch solche Widersprüche sind nicht zu vermeiden, wenn sich Landes- und Bundespolitik an der Köpenicker Landstraße in Niederschöneweide dafür feiern, dass hier einer von zwei neuen Elektrobus-Betriebshöfen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) entsteht. Rund 220 E-Busse sollen auf dem etwa 44 000 Quadratmeter großen Grundstück direkt an der Minna-Todenhagen-Brücke nach der Fertigstellung im April 2027 abgestellt werden können.

120 Millionen Euro Baukosten

Die Kosten ohne Grundstückpreis sollen bei rund 120 Millionen Euro liegen. Unklar ist, ob in der Summe auch die Investitionen für den Schwesterstandort am anderen Spreeufer enthalten sind. 2020 wurden die Kosten für beide Flächen noch auf rund 100 Millionen Euro geschätzt. Auf rund 22 000 Quadratmetern sollen an der Minna-Todenhagen-Straße nahe der Wuhlheide ein Werkstattgebäude und Abstellflächen für weitere 32 E-Busse entstehen. Hier hat der Bau noch nicht begonnen. Eine Fertigstellung ist für 2028 angekündigt.

Doch am grauen Mittwochnachmittag ist zunächst Richtfest angesagt. »Ein Richtfest für das, was Sie hier so ein bisschen sehen, nämlich für die Ladeinfrastruktur um diesen Betriebshof herum«, wie BVG-Chef Henrik Falk erläutert. Gefeiert werden also die großen Metallgitter-Träger, die über der Festgesellschaft schweben. Sie werden die Ladeschienen halten, an denen die Busse mit Stromabnehmern die Energie zum Aufladen der Akkus beziehen. Umrahmt sind sie von Beton-Rohbauten.

Verspätung beim Bau

Obwohl der Betriebshof erst in mehr als 16 Monaten eröffnen soll, hat er schon eine bewegte Namensgebungsgeschichte. Zuerst firmierte er als »Betriebshofverbund Südost«, dann als »Betriebshof Spree«. Bei einer Abstimmung votierte eine Mehrheit der Beschäftigten für den nun gültigen Namen »Betriebshof Spree«.

Der Bau hat Verspätung. Ursprünglich hätte er bereits 2023 fertiggestellt sein sollen. Das liegt unter anderem an den schwierigen Grundstücken. Das eine chemisch kontaminiert und mit so schlechtem Baugrund, dass der Boden erst mit Hunderten Pfählen stabilisiert werden musste. Das andere kampfmittelbelastet. Dazu zeigte sich der Bezirk Treptow-Köpenick nur wenig entgegenkommend bei der Baugenehmigung.

Schließlich war auch die BVG beim Projektmanagement überfordert. »Vor 60 Jahren haben wir das letzte Mal einen neuen Betriebshof für uns gebaut. Das ist der in Spandau«, sagt Henrik Falk. »Das heißt, wir haben keine Erfahrung gehabt, was den Bau, den Neubau von Betriebshöfen inklusive Ladeinfrastruktur angeht.«

»Elektromobilität ist keine Zukunft mehr, sondern ist längst Gegenwart«, sagt Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) beim Richtfest. E-Busse gehören längst zum alltäglichen Berliner Stadtbild. 277 Stück hat die BVG inzwischen im Einsatz, rund 18 Prozent der gesamten Busflotte. Die derzeit im Einsatz stehenden Akkubusse sparen nach Angaben der Senatsverkehrsverwaltung jährlich 28 000 Tonnen CO₂ ein, weil acht Millionen Liter Diesel nicht verbrannt werden müssen.

»Es gibt weniger Lärm, es gibt weniger Emissionen. Es ist eine höhere Lebensqualität und wir tun auch noch was für den Klimaschutz«, zählt Schnieder die Vorteile auf. »Es ist beispielhaft, weil sich das Land Berlin das Ziel gesetzt hat, bis 2030 nur noch mit Elektrobussen unterwegs zu sein im Bereich der BVG«, sagt Schnieder. Es sei »eine große Herausforderung, das zu schaffen«. Bundesweit habe man sich das Ziel gesetzt, 50 Prozent im ÖPNV mit E-Bussen zu bestreiten.

Dekarbonisierung erst bis 2035

Offenbar weiß Schnieder nicht, dass sich Berliner Landespolitik und BVG längst vom Ziel einer 100 Prozent elektrifizierten Busflotte bis 2030 verabschiedet haben. »Die vollständige Dekarbonisierung der BVG ist bis 2035 vorgesehen«, sagte Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) Anfang Dezember bei einer Sitzung des Mobilitätsausschusses im Abgeordnetenhaus.

Bis dahin sollen auch nur »80, 85 oder 90 Prozent Elektrobusse« im Einsatz sein, sagt BVG-Chef Henrik Falk zu »nd«. Mit Blick auf den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine begründet er das mit »strategischen Fragen«. »Also was passiert, wenn Stromausfall ist, ein Krisenfall oder ähnliches?«, so Falk weiter.

»Wir brauchen Resilienz im Netz. Und diese Resilienz stellen wir her, indem wir nicht alles auf E-Mobilität umstellen, sondern auf andere alternative Antriebe, damit wir eine komplett dekarbonisierte Flotte haben«, stützt Senatorin Bonde gegenüber »nd« die Position des BVG-Chefs.

Problematische Alternativen zu E-Bussen

Allerdings sind bei nüchterner Betrachtung die potenziell alternativen Dekarbonisierungsoptionen nicht sonderlich erfolgversprechend. Da gibt es einerseits den Dieselersatz HVO, der im Idealfall aus Reststoffen wie gebrauchten Pflanzenölen produziert werden sollen. Doch die Nachfrage übersteigt schon jetzt die Mengen, die tatsächlich aus Abfällen hergestellt werden können. Die Grundstoffe müssten also CO₂-intensiv und umweltschädlich extra für die HVO-Produktion hergestellt werden.

Noch problematischer ist die Option, Wasserstoff zu verbrennen. Sie wäre extrem teuer, energetisch hoch ineffizient. Und die Menge des bis dahin tatsächlich zur Verfügung stehenden grünen Wasserstoffs ist derzeit überhaupt nicht abzuschätzen, wird aber deutlich niedriger liegen, als vor einigen Jahren prognostiziert worden ist.

160 Millionen Euro vom Bund

1,1 Milliarden Euro an Fördergeld hat das Bundesverkehrsministerium seit 2021 in die Dekarbonisierung des deutschen Stadtbusverkehrs gesteckt, so Minister Schnieder. 250 Betriebe hätten Förderung erhalten. Allein 160 Millionen Euro davon bekommt die BVG für ihr Projekt BIG2025. Die »Berliner Initiative zur Großbeschaffung von Elektrobussen bis 2025«, so der vollständige Titel, umfasst nicht nur die Lieferung von 320 E-Gelenkbussen bis Ende 2027, von denen 50 bereits bei der BVG sind. Dann wäre etwas über ein Drittel der BVG-Busflotte elektrifiziert.

Auch zwei neue E-Bus-Betriebshöfe gehören dazu. Neben dem Standort in Treptow-Köpenick ist ein weiterer an der Säntisstraße in Marienfelde im Bau, auch er soll im April 2027 in Betrieb gehen. Bei der feierlichen Grundsteinlegung im August wurden die erwarteten Kosten für den Betriebshof mit Platz für rund 220 Busse auf rund 190 Millionen Euro geschätzt.

Umbauplan bis 2035

Nach Eröffnung der beiden Neubau-Betriebshöfe für Elektrobusse will die BVG die Umstellung ihrer Bestands-Betriebshöfe angehen. So ist der Zeitplan für den jeweiligen Abschluss der Arbeiten:
2029 Indira-Gandhi-Straße (Hohenschönhausen)
2030 Spandau
2033 Lichtenberg und Britz
2034 Cicerostraße (Wilmersdorf)
2035 Müllerstraße (Wedding)

Allein die neuen Betriebshöfe reichen nicht aus für die Umsetzung der E-Bus-Strategie. Bis 2028 sollen Ladestationen an 20 Bushaltestellen entstehen. Das erklärte Senatorin Bonde bei der Verkehrsausschusssitzung Anfang Dezember. Einige davon sind bereits im Bau, beispielsweise am Schwarzelfenweg in Weißensee oder auch eine stattliche Ladeanlage am S-Bahnhof Marzahn. Die Pläne scheinen abgespeckt worden zu sein. Denn kürzlich war in einer Ausschreibung noch von 36 Ladestandorten an Endhaltestellen mit 101 Ladepunkten zu lesen.

Nur zum Reinigen ins Depot

»Flexlader« nennt die BVG das Konzept, die Busse sowohl im Depot zu laden als auch an Endhaltestellen zwischenladen zu lassen. »Das heißt, man kann im Grunde genommen dann Fahrzeuge, so wie das bei einer Straßenbahn auch möglich ist, quasi unendlich fahren lassen«, berichtete Daniel Hesse von der BVG im Ausschuss. Er ist kommissarischer Bereichsleiter Omnibustechnik und Leiter der Stabsabteilung Technologie und Innovation.

»Liebe ist, wenn es elektrisch ist.«

Kai Wegner (CDU) Regierender Bürgermeister

Man habe Gelenkbusse schon 41 Stunden und 480 Kilometer am Stück fahren lassen – »ohne Probleme«, sagte Hesse. »Wir hätten auch weiterfahren können, das war den Fahrgästen nicht mehr zuzumuten.« Damit gebe es keinen Mehrbedarf mehr bei Elektrobussen im Vergleich zu Dieselbussen, weil sie wegen begrenzter Akkukapazität zum Aufladen ins Depot müssen.

Zuerst fahre man für das Flexlader-Konzept mit »eigentlich zu großen Batterien herum«, so Hesse. Das sei aber nötig, solange die Infrastruktur für die Zwischenladung an Endhaltestellen noch nicht vorhanden ist. »Und dann kann man in die Optimierungsschleife gehen und dann auch die Batteriegröße wieder runterziehen.«

Aufwendiger Systemwechsel

»Das ist ein Systemwechsel, den wir vornehmen. Das bedeutet, dass wir sehr viel in Infrastruktur investieren müssen und Infrastruktur aufbauen müssen«, erklärte Hesse, warum die Umstellung auf E-Busse so lange dauert. »Wir können eben keine Fahrzeugbeschaffung sinnvoll unabhängig von der Infrastruktur machen.« Die Infrastruktur sei das Nadelöhr. Dazu gehöre auch die »sehr alte Infrastruktur auf den Betriebshöfen«, die erst saniert werden müsse. Erst 2035 soll der Hof Müllerstraße auf E-Busse umgestellt werden.

Im Sinne der Zukunftssicherheit der Ladeinfrastruktur habe die BVG sich bewusst dafür entschieden, sie mit wenigen beweglichen Teilen und mit wenig Software in der Infrastruktur aufzubauen. »Die ganze Intelligenz konzentrieren wir auf die Fahrzeuge« so Hesse.

Akkus halten länger als erhofft

Besser als erwartet schlagen sich die Akkus der bereits länger in Betrieb stehenden Busse. Eingeplant war ein Akkutausch nach sechs Jahren. »Wir sehen jetzt, dass wir das nur bei einem Teil der Fahrzeuge schon machen müssen«, sagte der BVG-Experte. Mit noch ausgefeilterer Softwareüberwachung werde sich noch mehr herausholen lassen, ist sich Hesse sicher.

Die Erwartung, dass die Wartungskosten deutlich sinken würden, weil die Zahl mechanischer Komponenten reduziert wird, hat sich laut Hesse nicht erfüllt. »Wir haben durch die sehr starke Nutzung unserer Fahrzeuge ungefähr zu 80 Prozent Themen, die nicht mit dem Antrieb zu tun haben. Türen, Scheibenwischer, Reifen, alles – und das ändert sich natürlich beim E-Bus nicht«, berichtete er. Nur 20 Prozent der Instandhaltungskosten fielen für den Antrieb an, was das Sparpotenzial begrenze.

E-Doppeldecker sind Spezialprodukt

Was im Angebot der Fahrzeugindustrie noch fehlt, sind für Berlin passende Doppeldecker. Die prinzipielle Machbarkeit habe man sich in einer Studie bereits bestätigen lassen, berichtete Hesse. Das Fahrzeug wäre eine spezielle Anfertigung für Berlin. Das liege an den besonderen Anforderungen. Sie dürften nicht zu hoch und nicht zu schwer sein wegen der Durchfahrtshöhe in Tunneln und Lastbeschränkungen auf den Brücken, »aber gerne sehr lang und mit sehr vielen Fahrgästen – und genau diese Gefäßgröße gibt es in dieser Form leider nicht woanders auf der Welt«. Wegen dieses Vorlaufs müsse man sich »zügig Gedanken machen«, um Anfang der 2030er Jahre auch E-Doppeldecker zur Verfügung zu haben.

Die BVG will einen Großteil ihres Bus-Fuhrparks auf Elektromobilität umstellen.
Die BVG will einen Großteil ihres Bus-Fuhrparks auf Elektromobilität umstellen.

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