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Ausstellung in Berlin: Heute noch, morgen schon

Das Stadtmuseum zeigt eine Filmausstellung über die Wendezeit in Berlin

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Einer der in der Ausstellung zu sehenden Filme widmet sich dem Ernst-Thälmann-Park in Prenzlauer Berg.
Einer der in der Ausstellung zu sehenden Filme widmet sich dem Ernst-Thälmann-Park in Prenzlauer Berg.

Der Techno-Club Tresor im Berliner Bezirk Mitte ist über die Bundesgrenzen hinaus berühmt. Weniger bekannt ist, dass auf dem Gelände ein Heizkraftwerk gestanden hat, das die Ostberliner*innen mit Wärme versorgte. Über fünf der dort Beschäftigten drehte Kerstin Bastian 1990 den Dokumentarfilm »Die Männer der Vereinten Kraft«. Zu sehen ist er in der von Florian Wüst und Suy Lan Hopmann kuratierten Ausstellung »Heute noch, morgen schon« im Museum Nikolaikirche. Auf neun Großbildschirmen können Besucher*innen dort bis zum 6. April Filme schauen, die 1989/90 in Ost- und Westberlin gedreht wurden.

»Die Männer der Vereinten Kraft« ist ein ungemein dichtes Porträt der fünf Arbeitskollegen Milan, Moritz, Otto, Willi und Micha, das nur durch die Freundschaft der Regisseurin mit einem von ihnen so möglich war. Gezeigt werden fünf eng befreundete Kollegen, die die Ereignisse im Herbst 1989 in der DDR erst mit viel Hoffnung und bald mit Angst und Entsetzen verfolgen.

Man kann das Kollektiv als dissidente Sozialisten beschreiben, die ihre Kritik an der autoritären SED-Herrschaft haben und für eine sozialistische Erneuerung der DDR eintreten. Willi, der älteste der Porträtierten, schildert seinen Lebensweg über Volkspolizei, Studium und Arbeit bei der Filmgesellschaft der DDR Defa bis zum Direktor im Heizkraftwerk.

Die Kamera begleitet ihn wie auch seine Kollegen bei verschiedenen Demonstrationen im Herbst 1989. Sie demonstrierten für den Erhalt einer sozialistischen DDR, für mehr Fahrradwege und zunehmend auch gegen die in der Wendezeit erstarkende Neonazibewegung. Damals wächst bei den fünf Protagonisten die Sorge vor einem zunehmenden Faschismus und Nationalismus in der Bundesrepublik. Bezeichnend ist die im Film gezeigte Silvesterfeier 1989/90. Da sieht man das schwarz-rot-goldene Fahnenmeer am Brandenburger Tor und als Kontrast das Heizkraftwerk Mitte. Dort sitzen die »Männer der Vereinten Kraft« an ihrem Arbeitsplatz, hören Musik aus dem Radio und wirken ernst und nachdenklich. Niemand stimmt in die Deutschland-Rufe ein.

Im Abspann erfahren wir, dass das Heizkraftwerk schon zu Beginn der 90er Jahre abgewickelt wurde. Das war auch das Ende des kleinen Kollektivs. Willi war schon 1990 mit 58 Jahren gestorben. »Er hat die Wende nicht überlebt. Er hatte sich schließlich so sehr für die Verwirklichung der sozialistischen Utopie eingesetzt«, erzählt Regisseurin Kerstin Bastian im Gespräch mit »nd«. Sie ist freudig überrascht, dass der Film, den sie vor über 35 Jahren an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf drehte und der dann im Archiv verschwand, jetzt neu entdeckt wurde.

Neben »Die Männer der Vereinten Kraft« sieht man in der Ausstellung auch »Gurbet is a home now« von Pinar Öğrenci über die kurdische Community in Westberlin. Die Nikolaikirche wurde bewusst als Ausstellungsraum gewählt. Dort fand am 11. Januar 1991 die konstituierende Sitzung des ersten Gesamtberliner Abgeordnetenhauses seit 1946 statt. Einige Ausschnitte von der Debatte werden aus einer Dokumentation von Wolfgang Hanel gezeigt, in der eine kampflustige Grünen-Abgeordnete Renate Künast für die Rechte der Frauen eintritt.

Doch der überwiegende Teil der Filmdokumente spielt auf der Straße. Zu sehen ist eine Dokumentation von Petra Tschörtner über Demonstrationen im Pankower Ortsteil Prenzlauer Berg im Frühjahr 1990. Zu sehen ist auch der erste Dokumentarfilm über einen Punk in der DDR. Eine eigene Filmreihe befasst sich mit dem Ernst-Thälmann-Park und dem von Protesten begleiteten Abriss des alten Gasometers auf dem Areal im Jahr 1984.

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