• Berlin
  • Nachhaltigkeit beim Feiern

Von Bässen, Bäumen und Bienen

Das Projekt Clubtopia entwirft Nachhaltigkeitskonzepte für Berliner Clubs und Open-Air-Veranstaltungen

  • Sabrina Lösch
  • Lesedauer: 4 Min.
Auch draußen, zum Beispiel auf dem Tempelhofer Feld, wird gerne gefeiert. Lässt sich das mit der Natur in Einklang bringen?
Auch draußen, zum Beispiel auf dem Tempelhofer Feld, wird gerne gefeiert. Lässt sich das mit der Natur in Einklang bringen?

»Feiern im Grünen wird nie ohne Folgen für die Natur sein«, sagt Konstanze Meyer. Sie ist Projektleiterin von Clubtopia beim Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) Berlin. Unterbinden kann man Open Airs nicht – das ist auch gar nicht der Anspruch. Die Fragestellung ist pragmatisch: Wie können Flora und Fauna vor, während und auch nach Veranstaltungen im Freien weitestgehend geschützt werden?

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Clubtopia ist ein Berliner Kooperationsprojekt des BUND, der Berliner Clubcommission und des Vereins Clubliebe. Seit 2019 und noch bis Ende 2023 wird es von der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz mit knapp 600 000 Euro gefördert und soll Clubs dabei helfen, ihren ökologischen Fußabdruck zu minimieren.

Dazu bringt es Expert*innen aus nachhaltigen Branchen mit Veranstalter*innen und Gästen der Clubszene zusammen, um gemeinsam innovative Lösungen für nachhaltige Partynächte auszutüfteln – etwa im Rahmen des Future Party Labs, wo eine Vielzahl von Themen in Arbeitsgruppen und Diskussionsrunden besprochen wird, unter anderem eben Naturschutz beim Feiern im Freien. »Wir haben versucht, dieses riesige Themengebiet möglichst praktisch und ökologisch sinnvoll runterzubrechen«, sagt Konstanze Meyer.

Andrea Gerbode leitet den Workshop zu Nachhaltigkeit bei Open Airs. Als Naturpädagogin, Stadtnaturführerin und stellvertretende Vorsitzende des Berliner BUND-Vorstandes vermittelt sie zwischen unterschiedlichen Akteur*innen im Bereich Naturschutz, Stadtentwicklung, Freizeit und Erholung in der Stadtnatur.

Es geht also ums Raven im Grünen: Vertragen sich Bässe, Bäume und Bienen? Und wie kann der Mensch der Natur nach einer ausgelassenen Feier etwas zurückgeben? »Diese Aufgabenstellung fand ich enorm herausfordernd«, sagt Gerbode. »Aus Naturschutz-Sicht sehe ich nach einer Nutzung eines Ortes eine Zerstörung.« Eine spannende Idee sei es etwa, bereits im Vorfeld einer Veranstaltung Müll zu sammeln. »Es geht weniger um Aktionismus, sondern darum, konkrete Maßnahmen zu unterstützen«, sagt die Naturpädagogin. So können Veranstalter*innen etwa gezielt auf bereits vor Ort tätige Akteur*innen zugehen und Unterstützung anbieten.

Veranstalter*innen von Open Airs benötigen Gerbode zufolge vorab ein artenschutzrechtliches Gutachten. Wichtig sei es, wie man damit umgeht. »Wer die dort lebenden Arten kennt, kann dieses Wissen weitergeben und Besuchende dafür sensibilisieren.« Werden dementsprechend bestimmte Bereiche gesperrt, bieten sich etwa Führungen mit den Gästen an. So können sie einen Bezug zu dem Ort herstellen. Gerbode zitiert hier frei nach dem deutschen Tierfilmer und Buchautor Heinz Sielmann: »Nur wer die Natur kennt und liebt, wird sie schützen.«

Aber auch wenn die Party unter einem Dach stattfindet, kann der Veranstaltungsort mehr oder weniger nachhaltig gestaltet sein. Der Politologe Christian Schweer und Geografin Verena Fehlenberg widmen sich dem Umgang mit Wetterextremen – von Starkregen bis hin zu langen Trockenperioden. Seit 2021 leiten sie das Projekt Wassernetz-Initiative im Berliner Landesverband des BUND und informieren das Clubtopia-Netzwerk über das Prinzip der Schwammstadt – den klimagerechten Umbau von Siedlungen und Infrastruktur, um die Folgen der Klimakrise abzufedern.

Wie kann dieses Prinzip auf Clubs übertragen werden? Zunächst muss Berlin in Bezug auf den Wasserhaushalt resilienter werden. Die Stadt soll es einem Schwamm gleichtun, also Wasser aufnehmen und speichern, um es in trockenen Phasen wieder abzugeben. Gelingen kann das mittels Flächenentsiegelung bis hin zu begrünten Dächern. Dazu können auch Clubs beitragen – die Betreiber*innen des »Kater Blau« machen es mit einem Bauprojekt auf ihrem Gelände bereits vor. Bis auf das Fundament wird das Gebäude ausschließlich aus Holz bestehen. Auch eine Dachbegrünung ist geplant, um den CO2-Fußabdruck möglichst gering zu halten.

»Ein mittelgroßer Club verbraucht an einem Wochenende etwa 1000 Kilowattstunden«, sagt Matthias Krümmel, Fachreferent für Klimaschutzpolitik beim BUND Berlin. Das entspricht dem Verbrauch eines sparsamen Single-Haushalts in einem Jahr. Mithilfe von Clubtopia soll sich die Klimabilanz der Berliner Clubs deutlich verbessern – durch kostenlose Beratungsangebote in unterschiedlichen Formaten. Schließlich will Berlin bis 2045 klimaneutral werden.

Deshalb gibt es seit Herbst 2021 den sogenannten Code of Conduct, den Clubtopia bei einem Runden Tisch für grüne Clubkultur mit Clubbetreiber*innen und Veranstalter*innen gemeinsam erarbeitet hat. Mit dem Verhaltenskodex verpflichten sich teilnehmende Berliner Clubs zu mehr Nachhaltigkeit. Unterzeichnet haben unter anderem das »Yaam«, der »Suicide Club« und das »Schwuz«. Das Konzept wird derzeit für Outdoor-Events weiterentwickelt.

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