Erdhund trifft Wasserschlange

Andreas Koristka findet, dass Olaf Scholz der richtige Mann für die Beziehungen zu China ist

  • Andreas Koristka
  • Lesedauer: 3 Min.

Viel Kritik muss sich Olaf Scholz wegen seiner China-Reise anhören. Dabei findet nicht nur der Kanzler, dass der Kurztrip »gut und richtig ist«. Denn Diplomatie ist eine diffizile Angelegenheit. Viele Leute haben nur die Uiguren im Blick, wenn sie die Menschenrechtslage im Reich der Mitte betrachten. An die Menschenrechte der zwölf deutschen Wirtschaftsvertreter, die mit im Flieger sitzen und deren Grundrecht auf Geld in Gefahr ist, denkt niemand.

Aber ein Bundeskanzler muss für alle Menschen da sein – ob sie nun CEO von Merck oder von Bayer sind. Und es ist ja nicht so, als würde sich Scholz gar nicht um die Uiguren scheren. Zwischen zwei bis drei schlumpfigen Grinsern machte er während seines Besuches deutlich, dass deutsche Unternehmen noch viel lieber in China aktiv wären, wenn besagte Volksgruppe artgerecht gehalten würde. Vielleicht ja sogar in einem VW-Werk auf chinesischem Boden?

Andreas Koristka
Autorenfoto von Andreas Koristka am Donnerstag, den 10. Oktober ...
Andreas Koristka ist Redakteur der Satire-Zeitschrift Eulenspiegel. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter: dasnd.de/koristka

Xi Jingping musste sich also einiges anhören, ob er wollte oder nicht. Das fällt ihm schwer, denn er hat einen gänzlich anderen Charakter als Scholz. Man kann das leicht veranschaulichen: Xi ist nach chinesischem Horoskop eine Wasserschlange. Scholz ist Erdhund. Da sind Konfrontationen programmiert. Wasserschlangen gefallen Dinge wie Frösche, kleine Fische und die Annektierung Taiwans. Erdhunde haben kein gutes Erinnerungsvermögen.

Schön, dass die beiden Politiker trotzdem gesittet miteinander sprechen konnten. Denn wenn man ein bisschen nett zueinander ist und ein wenig plaudert, kann man viel erreichen. Sicherlich hätte sich Annalena Baerbock gewünscht, dass Scholz ein bisschen forscher zur Sache geht. Wäre es nach ihr gegangen, hätte der Bundeskanzler den Chinesen am Kragen packen und so lange schütteln sollen, bis er wirklich jeder Uigurin und jedem Uiguren den Zugang zu einer Unisextoilette garantiert. So verlangt es eigentlich die Theorie der feministischen Außenpolitik.

Aber muss man wirklich immer nach den Regeln der reinen Lehre handeln? Wenn man bereit ist, ein paar kleine Kompromisse zu machen, dann können beide Länder profitieren. Würde man zum Beispiel nach einem Teil des Hamburger Hafens auch noch den BER an die Chinesen verkaufen, dann könnten dort schon übermorgen fünf neue Terminals fix und fertig gebaut sein. In einer Woche hätten die Chinesen sogar einen zweiten Flughafen daneben gebaut, Berlin komplett abgerissen und an Stelle der maroden deutschen Hauptstadt würden ein paar gefällige Wolkenkratzer stehen.

Aber China kann auch von uns lernen. Wie sehr würde seine Wirtschaft profitieren, wenn man sich von den Deutschen abgucken würde, dass die Industrie beim Lockdown überhaupt nicht mitmachen muss. Da konnte die Wirtschaftsdelegation bestimmt von unseren Erfahrungen berichten. Auch wenn der Wandel durch Handel mit Wladimir Putin nicht so gut geklappt hat – bei Xi Jingping ist die Sachlage eine andere. Er ist ein rationaler Akteur und wird es ewig bleiben.

Selbst wenn er irgendwann einmal Taiwan angreifen lässt, wird das eine wohlüberlegte und hervorragend organisierte Sache sein. Da wird man keine taiwanesischen Traktoren im Fernsehen sehen müssen, die chinesische Panzer abschleppen. Die Angelegenheit wird in ein paar Tagen über die Bühne gehen. Und man wird nach den zu erwartenden zwischenzeitlichen Differenzen relativ schnell beginnen können, die Beziehungen zwischen dem Westen und China zu normalisieren. Dann ist das diplomatische Geschick von Olaf Scholz bestimmt wieder gefragt.

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