Die Berufene aus Paris

Emanuelle Charpentiers Weg ans Institut Pasteur

  • Reinhard Renneberg
  • Lesedauer: 3 Min.
Biolumne: Die Berufene aus Paris

Wir verdanken das Verständnis von Crispr, neben allen Teams in Japan, Spanien, Frankreich, Litauen und den USA vor allem zwei brillanten Wissenschaftlerinnen: der französischen Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier und der amerikanischen Struktur-Biologin Jennifer Doudna. Emmanuelle Charpentier, von Freunden Manue genannt, war aus meiner Sicht die Erste, die das Crispr-System im Ganzen begriff.

Manue wuchs in einem südlichen Vorort von Paris auf, in eher bescheidenen Verhältnissen. Ihr Vater war Wächter im nächstgelegenen Park, die Mama leitende Schwester in der Verwaltung der Psychiatrie des örtlichen Krankenhauses. Als sie mich in Hongkong besuchte, erzählte sie mir eine Geschichte aus der Zeit, als sie zwölf Jahre alt war. Eines Tages lief sie mit ihrer Mutter am weltberühmten Pariser Pasteur-Institut vorbei. »Hier werde ich mal arbeiten, Maman, wenn ich einmal groß bin«, will die kleine Emmanuelle selbstbewusst gerufen haben.

Tatsächlich forschte sie dann als Doktorandin am Institut Pasteur zur Antibiotika-Resistenz von Bakterien, noch heute eine brisante weltweite Herausforderung. Danach begannen ihre Lehr-und Wanderjahre. Zunächst Amerika, an die Rockefeller University in New York, zu Professor Elaine Tuomanen. Deren Gruppe untersuchte die bakteriellen Erreger der Lungenentzündung. Als die gesamte Gruppe an das St. Jude Children’s Research Hospital in Memphis umzog, ging Emmanuelle mit. Im warmen Alabama störte sie nur die Mückenplage. »Offenbar liebten die Moskitos süßes französisches Blut.«

Zurück an die New York University, Arbeit an ziemlich »unsympathischen« Bakterien, die Haut- und Halsentzündungen verursachen. Sie tragen den Horror-Beinamen Flesh Eater: Streptococcus pyogenes, kugelförmige Zellen in langen Ketten. 2002 kam sie zurück nach Europa, in das quirlige und laute Wien. Nicht wirklich ihr Ding … Schon bald nach dem Aufbau ihrer neuen Gruppe verließ sie Österreich wieder und ging in die Stille und Einsamkeit, in das nordschwedische Umeå. Emmanuelle hatte das Motto von Louis Pasteur verinnerlicht: »Das Glück bevorzugt den vorbereiteten Geist!« Und außerdem gilt im Leben: »Reisen bildet!« Mitten im Umzug nach Schweden bekam sie eine E-Mail aus Wien: »Ohne tracr RNA keine Produktion von crRNA!« Sie verbrachte eine ganze Nacht damit, Experimente zu konzipieren, ganz besessen von der tracrRNA …

Nach dem Weggang ihrer Chefin hatten die Studenten in Wien natürlich wenig Lust und Zeit, tracrRNA detaillierter zu erforschen. Emmanuelle bekam viele Absagen. Glücklicherweise meldete sich die bulgarische Magister-Studentin Elitza Deltcheva. Und dann stieß noch der Pole Krzystov Chylinski dazu. Das rein europäische Team aus Frankreich, Bulgarien und Polen fand schnell heraus, dass das Crispr-Cas9- System nur drei Komponenten braucht: Cas9-Enzym, crRNA und tracrRNA! Die tracrRNA zerstückelte lange RNA-Ketten in kleinere crRNA-Schnipsel. Diese zielten auf spezifische Orte in der DNA der angreifenden Viren. Wie ein GPS-System!

Für die »Nature« wurde ein Artikel vorbereitet, der im März 2011 veröffentlicht wurde. Fairerweise war die bulgarische Studentin Elitza Deltcheva die Erstautorin! 

Die tracrRNA spielte tatsächlich eine entscheidende Rolle. Und Charpentiers Team wusste das zuerst. Was sie nun brauchte, war Hilfe von einer erfahrenen RNA-Biochemikerin …

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