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Bruch zwischen Dehm und der Linken

Früherer Bundestagsabgeordneter will sich gegen das Ausschlussverfahren wehren

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.
Einige Spitzenpolitiker der Linken wollen nicht mehr, dass Diether Dehm als Parteimitglied spricht.
Einige Spitzenpolitiker der Linken wollen nicht mehr, dass Diether Dehm als Parteimitglied spricht.

Nachdem kürzlich bekannt geworden ist, dass ein Ausschlussverfahren gegen Diether Dehm eingeleitet wurde, hat der frühere Linke-Bundestagsabgeordnete schwere Vorwürfe gegen seine Parteispitze erhoben. In dem Antrag gegen Dehm heißt es, dass dieser zu einem »konkurrierenden Wahlantritt« aufgerufen habe. Dies sei »der inakzeptable Höhepunkt unzähliger Äußerungen der letzten Jahre«, mit denen Dehm das Ansehen der Linken beschädigt habe. Der 72-Jährige wies das gegenüber »nd« zurück. »Ich habe die Formulierung ›konkurrierender Wahlantritt‹ niemals verwendet«, sagte Dehm. Es handele sich um eine Verdrehung des Parteivorstandes.

Diese Passagen des Textes im Ausschlussantrag der Linke-Vorstandsmitglieder Ates Gürpinar und Kerstin Eisenreich basieren offensichtlich auf der Berichterstattung der »Taz« über einen Auftritt von Dehm beim Pressefest der DKP-Zeitung »Unsere Zeit« im August dieses Jahres in Berlin. Dabei wurde Dehm mit den Worten zitiert: »Es muss eine Kraft antreten, die diesem Abbruchunternehmen da drüben im Karl-Liebknecht-Haus eine Alternative entgegensetzt.« Dehm stellte die Sache nun etwas anders dar. Mit »Abbruchunternehmen« habe er die frühere Wahlkampfleitung der Linken unter Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler gemeint, sowie diejenigen, die sogar die Toilettentüren im Karl-Liebknecht-Haus für die Gäste des Pressefests verrammelt hatten, das in der Nähe der Linke-Parteizentrale stattgefunden hatte.

»Es muss zur Europawahl 2024 eine Kraft vorbereitet werden, die breit und glaubwürdig genug ist, für die Stärkung von Sozialstaat und Mittelstand sowie für Abrüstung zu mobilisieren statt für Gender-, Masken- und Impfpflichten«, so Dehm. »Die populärste Politikerin Deutschlands dabei auszugrenzen, wäre Masochismus pur.« Aus seiner Sicht nimmt Sahra Wagenknecht diese Rolle ein, obwohl die frühere Linksfraktionschefin intern immer wieder kritisiert wird. Zuletzt war das der Fall, als sie nicht die AfD, sondern die Grünen als »gefährlichste Partei« im Bundestag bezeichnet hatte. Dehm war hingegen voll des Lobes. »Ihr Eintreten für Diplomatie statt Wirtschaftskrieg gegen Russland und China entspricht ja breiten Mehrheiten«, sagte er.

Dehm erinnerte daran, dass er seit 50 Jahren Wahlkämpfe mache, zunächst für die SPD, nach seinem Wechsel für die PDS und Die Linke. Als Spitzenkandidat und Bundestagsabgeordneter habe er mehr als zehn Prozent in Niedersachsen erreicht und geholfen, die Partei als Landeschef 2008 mit mehr als sieben Prozent in den Landtag zu führen. Nun sieht Dehm »ein Vakuum in der Parteienlandschaft, das mit Händen zu greifen« sei. Das zeige sich etwa an den Teilerfolgen von Martin Sonneborns Satirepartei Die Partei, der Bundestagsliste des früheren CDU-Mannes Jürgen Todenhöfer und von der Kleinpartei Die Basis, die im Umfeld der Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen gegründet wurde. »Eine Sammlungsbewegung wird also wohl sowieso kommen. Die sollte aber antiimperialistisch orientiert sein und die Ängste der Leute nicht wieder kampflos der AfD überlassen. Das hat auch der Parteivorstand der Linken mit in der Hand«, so Dehm.

Zwischen Dehm und der Parteispitze sowie einflussreichen Kräften in seinem niedersächsischen Landesverband ist es allerdings faktisch schon lange zum Bruch gekommen. Er hatte von 2005 bis 2021 für die Linkspartei im Bundestag gesessen. Im vergangenen Jahr wurde er in Niedersachsen nicht mehr auf einen der vorderen Listenplätze gewählt und flog aus dem Bundestag. »Parteisäuberungen, wie sie der Partei-Apparat mit Ausschlüssen, Maulkörben und beim Bundesparteitag in Erfurt durchgezogen hat, sind keine Erfolgslinie«, meinte er. Der Begriff »Säuberung« wird in der Regel für die Abrechnung mit politischen Gegnern und innerparteilichen Rivalen in autoritären Regimen benutzt. Dehm ist bekannt für fragwürdige Vergleiche und nannte einmal im Zusammenhang mit der Wahl zum Bundespräsidenten, zu der Joachim Gauck und Christian Wulff angetreten waren, die Namen Hitler und Stalin.

Einer der zentralen Streitpunkte auf dem Erfurter Parteitag war die Außenpolitik und die Haltung der Linken zum Krieg in der Ukraine. Eine Gruppe um Wagenknecht kritisiert westliche Sanktionen, die gegen Russland verhängt wurden und sieht negative Folgen für die deutsche Wirtschaft. Die Parteispitze meint hingegen, dass einige Sanktionen die russischen Oligarchen treffen könnten.

Die Bundesspitze der Linken wollte sich auf Nachfrage des »nd« nicht zu dem Verfahren gegen Dehm äußern. Die Pressestelle erklärte, dass der Antrag der zuständigen Landesschiedskommission in Niedersachsen vorliege. Zudem wurde betont, dass Parteichef Martin Schirdewan am Montag erklärt hatte, dass der Antrag in Rücksprache mit dem Parteivorstand gestellt worden sei und »auch unsere Unterstützung genießt«.

Dehm hat den Ausschlussantrag nicht. »Aber das ZDF seit Tagen. Tolle innerparteiliche Demokratie! Dann erklärt mich der Vorstand Ende August für brandgefährlich – lässt sich aber weit über zwei Monate Zeit damit.« Dehm sei sich auch darum mit seinem Rechtsbeistand, dem Ex-Abgeordenten Ulrich Maurer, sicher, »dass die Bundesschiedskommission oder bürgerliche Gerichte den Ausschluss verwerfen würden«. Überdies zweifelte er die Legitimation eines gewählten Gremiums an: »Auch wenn die am Sonntag gewählte Landesschiedskommission in Niedersachsen handverlesen aus innerparteilichen Gegnern zusammengesetzt wurde.«

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