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  • Großbritannien in der Rezession

Hunt setzt auf Steuererhöhungen

Der Haushaltsplan des britischen Finanzministers begräbt die Politik seines Vorgängers. Die wirtschaftlichen Aussichten haben sich verdüstert.

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 4 Min.

Zwar wissen die Briten schon längst, dass am wirtschaftlichen Horizont tiefschwarze Wolken aufgezogen sind. Aber dennoch ist die neuste Prognose des nationalen Rechnungshofs Office for Budget Responsibility (OBR), die am Donnerstag publiziert wurde, für viele ein Schock. Erstmals zeigen handfeste Zahlen, wie tief die Krise tatsächlich zu werden droht.

Laut dem OBR befindet sich das Land bereits in einer Rezession. Sie wird wohl rund ein Jahr dauern, die Wirtschaftsleistung wird 2023 um 1,4 Prozent schrumpfen. Die Lebensstandards der Briten werden im Laufe der kommenden zwei Jahre sogar um ganze sieben Prozent sinken – ein Rekord. Zugleich wird die Zahl der Arbeitslosen von derzeit 1,2 auf 1,7 Millionen im Jahr 2024 ansteigen. Die Inflationsrate, so war bereits am Tag vorher bekannt geworden, ist auf über elf Prozent gestiegen – so hoch wie zuletzt vor mehr als 40 Jahren.

Dies ist die düstere Kulisse, vor der Finanzminister Jeremy Hunt am Donnerstag im Unterhaus seinen Wirtschaftsplan für die kommenden Jahre vorstellte. Das sogenannte »Herbst-Statement« war mit Spannung erwartet worden. Es gilt als erste große Feuertaufe für die Regierung von Rishi Sunak. Zuvor hatte Hunt bereits gewarnt, dass er eine Mischung aus Steuererhöhungen und öffentlichen Einsparungen plane, um für ökonomische Stabilität zu sorgen und die Inflation in den Griff zu bekommen. »Wir sind ehrlich in Bezug auf die Herausforderungen und fair in unseren Lösungen«, sagte Hunt im Unterhaus. Seine Prioritäten seien »Stabilität, Wachstum und öffentliche Dienstleistungen«. Zu diesem Zweck plane er eine »Konsolidierung« der öffentlichen Finanzen von etwa 55 Milliarden Pfund.

Am meisten Schlagzeilen machen die angekündigten Steuererhöhungen. Sie stehen in scharfem Kontrast zur Strategie seines Vorgängers Kwasi Kwarteng: Dieser hatte im September die Steuern für Großverdiener und große Konzerne deutlich senken wollen – und damit das Vertrauen der internationalen Finanzmärkte verspielt. Sein desaströser Haushaltsplan führte letztendlich zum Sturz der Regierung von Liz Truss.

Hunt hingegen bittet reiche Briten und Energiekonzerne stärker zur Kasse. Müssen bislang nur Leute mit einem Lohn von mehr als 150 000 Pfund den obersten Steuersatz von 45 Prozent zahlen, werden es in Zukunft bereits jene mit einem Einkommen über 125 000 Pfund sein. Zudem hat Hunt die Zufallsgewinnsteuer auf Öl- und Gaskonzerne von 25 Prozent auf 35 Prozent erhöht und bis 2028 verlängert. Eine zusätzliche Steuer für Stromerzeuger wird ebenfalls ab Januar eingeführt. Zusätzliche Ausgaben stellt Hunt für den Gesundheitsdienst National Health Service und Schulen in Aussicht. Zudem sollen Sozialleistungen und die staatliche Rente im Gleichschritt mit der Inflation erhöht werden, und der nationale »Lebenshaltungslohn« wird im April von 9,50 Pfund pro Stunde auf 10,42 Pfund heraufgesetzt.

Vor dem Herbst-Statement war viel vor einer Rückkehr zur Sparpolitik gewarnt worden. Aber davon redete Hunt am Donnerstag eher wenig – sicher auch, weil er wusste, wie kontrovers ein Sparprogramm sein würde. »Es war ein weniger schmerzhaftes Statement, als wir erwartet hatten«, sagte der Ökonom Paul Johnson vom Thinktank Institute for Fiscal Studies. Allerdings ist die »Austerität« nur aufgeschoben: Die Sparmaßnahmen bei den öffentlichen Ausgaben sind für die Zeit nach 2024 geplant. Eine Ausnahme sind die Energiekosten: Die Obergrenze, die seit Oktober bei 2500 Pfund für einen durchschnittlichen Haushalt liegt, wird ab April auf 3000 Pfund steigen.

Sparmaßnahmen zu verschieben, ist in politischer Hinsicht klug: Denn bis Ende 2024 werden Neuwahlen stattfinden müssen. Es ist also gut möglich, dass die Tory-Regierung bis dahin kaum schmerzhafte Sparprojekte durchdrücken wird, die Wähler vergraulen könnten. Der Ökonom Torsten Bell vom Thinktank Resolution Foundation sagte, Hunt habe »im Prinzip Labours Herbst-Statement vorgestellt«. Hunt und sein Chef Rishi Sunak setzen wohl auch darauf, dass sich die wirtschaftliche Lage in den kommenden Jahren ausreichend aufhellt, damit die Sparmaßnahmen nicht allzu stark zu spüren sind.

Vorerst scheint es, als habe Hunt seine erste Prüfung bestanden. An den internationalen Märkten wurde der Haushaltsplan weitgehend ruhig aufgenommen – nach den Turbulenzen, die sein Vorgänger ausgelöst hatte, kann Hunt sich sagen: »Mission accomplished.«

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