Bündnis-Wirrwarr in Malaysia

Bei der Parlamentswahl am Samstag könnten erneut die Konservativen siegen

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 3 Min.

Niemals zuvor hatte die Jugend so sehr den Schlüssel für den Wahlausgang in der Hand, nachdem das Mindestwahlalter von 21 auf 18 Jahre herabgesetzt worden ist. Vor allem dadurch ist die Zahl der Wahlberechtigten von 15 auf 21 Millionen gestiegen. Doch viele, die erstmals ihre Stimmen abgeben dürfen, sind von der Vielzahl der Parteien, Bündnisse und Kandidat*innen überfordert. »Ich bin nicht wirklich glücklich darüber«, sagt Krankenschwester Madhimi (23). Sie und ihr Mann Pave (26), der auf dem Bau arbeitet, wünschen sich endlich jüngere Politiker, »die uns besser verstehen«, statt der immer gleichen älteren Gesichter wünschen würde, Die Sorge um ausreichend bezahlte Jobs habe schon viele Jüngere zum Arbeiten ins benachbarte Singapur getrieben, so Madhimi.

Die Beunruhigung wegen gestiegener Preise ist wiederum generationsübergreifend: »Reis, Gemüse, alles ist teurer geworden«, klagt Rentnerin Teoh (73). Auch Lim (64), der im multikulturellen Georgetown auf der Insel Penang einen Straßenladen führt, teilt die Kritik an der Inflation. Vermutlich wird er sein Kreuz wieder bei der Nationalen Front (BN) machen, die er immer gewählt hat.

Die BN unter ihrer führenden Partei, der Vereinten Nationalorganisation der Malaien (UMNO), regierte das Land ununterbrochen seit der Unabhängigkeit 1957. Bis 2018, als eine breite Oppositionsallianz, die Pakatan Harapan (PH), einen historischen Wahlsieg einfuhr. Ihre Koalition hielt aber nur 22 Monate, stürzte nach der sogenannten »Sheraton-Verschwörung«. Derzeit sitzt mit UMNO-Vizechef Ismail Sabri Yaakob als amtierender Premier einer Koalition schon wieder ein Vertreter der alten Staatspartei im Chefsessel.

Die vor vier Jahren schwer angeschlagene UMNO und ihre traditionellen Verbündeten haben sich wieder berappelt, hoffen auf endgültige Rückkehr ans Steuer. Bei zwei Männern ist diese Hoffnung besonders groß. Im Fall von Parteichef Ahmad Zahid Hamidi geht es um 47 Korruptionsanlagen, denen er zu entgehen hofft. Najib Razak wiederum, der als Premier 2018 die krachende Niederlage einfuhr, sitzt inzwischen hinter Gittern. Weil auf seinen Privatkonten Hunderte Millionen Dollar aus dem staatlichen Entwicklungsfonds 1MDB entdeckt worden waren, deren Transfer er vor Gericht nicht erklären konnte, wurde er zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Eine neue UMNO-Regierung, so das Kalkül, könnte seine Begnadigung erwirken.

Die vor vier Jahren weitgehend geeinte Opposition ist wieder zersplittert, Gleich drei Bündnisse wollen den UMNO/BN-Sieg verhindern, machen sich aber auch gegenseitig Konkurrenz. Noch die besten Karten hat die etwas geschrumpfte PH unter ihrem Anführer Anwar Ibrahim, der mehrere Jahre im Gefängnis saß und schon mehrfach designierter neuer Premier war. Diesmal wird es für seine Volksgerechtigkeitspartei (PKR), die liberale und vor allem von den Minderheiten chinesischer und indischer Abstammung getragene Demokratische Aktionspartei (DAP) sowie die kleine religiöse Amanah ohne weitere Partner aber kaum reichen.

In Betracht kämen Mahathir Mohamad und dessen Bündnis GTA. Der 97-Jährige hatte 2018 bis 2020 die Koalition angeführt. Einer derer, die für seinen Sturz verantwortlich waren, ist sein kurzzeitiger Nachfolger Muhyiddin Yassin. Der Chef der von Ex-UMNO-Kadern gegründeten Bersatu hat sich wiederum mit der Islamischen Partei (PAS) zusammengetan. Deren Generalsekretär erklärte kürzlich, am ehesten mit der BN zu koalieren.

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