Baustein auf dem Weg zur Aussöhnung

Die Friedenskomitees in Burundi vermitteln bei Landstreitigkeiten

  • Vanessa Kohm, SODI
  • Lesedauer: 5 Min.
Die Bevölkerung in Burundi lebt überwiegend von der Landwirtschaft.
Die Bevölkerung in Burundi lebt überwiegend von der Landwirtschaft.

Gänzlich unerwartet sah Laurent Bigirimana fremde Menschen mit Holzstecken und Schnüren einen Teil seines Grundstücks markieren. Sie bereiteten den Abschnitt für einen Baubeginn vor. Ohne dass der Vater von zwei Jungen und drei Mädchen darüber informiert worden war oder dem zugestimmt hätte. Nachfragen ergeben: Sein Nachbar hatte beim Verkauf seines Grundstückes einen Teil von Laurents Grund und Boden mit verkauft. 

Streitigkeiten um Grundstücke sind in Burundi keine Seltenheit. Die Bevölkerung lebt überwiegend von der Landwirtschaft. Der Boden bildet die Grundlage für ihre Existenz. Gleichzeitig sind die wenigen landwirtschaftlich nutzbaren Flächen zunehmend vom Klimawandel bedroht. Der Druck auf das Land erhöht sich auch dadurch, dass viele der Burunder*innen, die wegen jahrzehntelang andauernder politischer Unruhen ins Exil geflohen sind, allmählich zurückkehren. 

Laurent wandte sich mit seinem Problem an die von OAP (Organisation d’Appui à l’auto-Promotion) initiierten Friedenskomitees. Darin haben sich engagierte Dorfbewohner*innen verschiedener Herkunft zusammengefunden, um schlichtend auf Konflikte im Dorf einzuwirken. Ein Gerichtsverfahren wäre für Laurent nicht infrage gekommen – zu teuer. Viele Burunder*innen schrecken deshalb davor zurück, vor Gericht zu gehen, selbst wenn ihnen Unrecht widerfahren ist.

Rund 74 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, da verwundert es nicht, dass jede Ausgabe genau überlegt wird. Die Gründe für die weitverbreitete Armut sind vielfältig. Aber vor allem die gewaltsamen Auseinandersetzungen, Flucht und Vertreibung, die Burundi über Jahrzehnte erschütterten, haben die Wirtschaft des Landes zerstört. 

Die Mitglieder des Komitees hören den Kontrahenten aufmerksam und geduldig zu. Sie lassen sich zudem die Kaufverträge von Laurent und seinem Nachbarn vorlegen. So rekonstruieren sie die Grundstücksgrenze und bestimmen damit auch, wie viel Laurents Nachbar rechtmäßig verkaufen darf. Der Nachbar erkennt seinen Irrtum an und bittet Laurent um Verzeihung.

»Da sind Gefühle von Freude und Gewissheit an die Stelle von Groll und Angstgefühlen getreten, die angesichts der erlebten Ungerechtigkeit vorherrschten. Ich schätze es, dass es sich um eine Mediation handelt, die den Menschen die Ausgaben für Gerichte erspart und dafür sorgt, dass es nicht nur einen Gewinner und einen Verlierer gibt«, blickt Laurent positiv auf den Mediationsprozess zurück. 

Erfahrungen im Umgang mit Landstreitigkeiten hat auch Célestin Ciza gesammelt, doch aus einer anderen Perspektive. Er ist Mitglied in einem der vier Friedenskomitees der am Ostufer des Tanganjikasees liegenden Provinz Rumonge. Bekannte aus der Verwaltung des Ortes haben den 52-Jährigen ermutigt, an den Trainings zur Konflikttransformation teilzunehmen, die im Rahmen der Zusammenarbeit mit SODI International durchgeführt werden.

Ciza gehört zu den 206 Interessierten, die in den interaktiven Workshops gelernt haben, welche Möglichkeiten sie haben, bei Konflikten in ihren Dörfern zu intervenieren. In den Trainings lernen sie Methoden der gewaltfreien Kommunikation kennen und üben die Mediation von Streitfällen. Auch die Umsetzung von Menschen- und Bürgerrechten sowie das gleichberechtigte Entscheiden innerhalb von Familienzusammenhängen stehen auf dem Programm.

Am Ende nominieren alle Teilnehmer*innen aus ihrer Mitte heraus die 20 Personen, denen sie die Arbeit in den neu gegründeten Friedenkomitees des Dorfes zutrauen. So ist auch Ciza Teil eines Friedenskomitees geworden. Für sein ehrenamtliches Engagement erhält er kein Geld. Trotzdem empfindet er die Teilnahme am Projekt als ein Privileg. Ciza will den Menschen helfen: »Es hat mich bekümmert, wie viele Konflikte es in meinem Dorf gibt.«

In den Komitees sieht er eine Alternative zu den Gerichten: »Der Gang vor Gerichte ist für die Menschen, die in extremer Armut leben, zu teuer. Und es ist mir wichtig, die Psyche der Beteiligten zu berücksichtigen.« An die langwierige Arbeit habe er sich inzwischen gewöhnt. Sie sei wichtig, denn sie ermögliche es den Menschen, friedlich zusammenzuleben. Das Vermeiden von psychischen Verletzungen, die aus Konflikten entstehen, sei ihm besonders wichtig. »Wo es Konflikte gibt, leben Menschen dauerhaft in Stress und Angst«, sagt er mit Blick auf die Lage in Burundi. 

An einen Landstreit zweier anderer Männer, den er geschlichtet hat, erinnert er sich gut: »Einer von ihnen hatte ein Grundstück an einen anderen für 850 000 Burundi-Franc (rund 400 Euro) verkauft und behauptet, dass es sich um sein eigenes Grundstück handelte. Als der Käufer das Grundstück in Besitz nehmen wollte, bekam er mitgeteilt, dass das Grundstück vom burundischen Staat als Raum von öffentlichem Interesse reserviert war. Daraufhin verlangte der Käufer den Kaufpreis zurück.

Als die beiden Kontrahenten für eine Entscheidung vor Gericht gehen wollten, kamen wir auf sie zu, hörten ihnen zu und gaben ihnen Ratschläge im Interesse aller. Der Verkäufer, der noch weitere Grundstücke im selben Dorf besaß, war sich bewusst, dass er das Grundstück unter falschen Angaben verkauft hatte. Er erstattete den Kaufpreis zurück. Der Konflikt wurde so endgültig gelöst, und derzeit leben die beiden Personen dank unserer Intervention friedlich zusammen und danken uns dafür.«

Die von OAP unterstützten Friedenskomitees sind ein Baustein auf dem Weg zu Frieden und Versöhnung in Burundi. Sie berichten regelmäßig über ihre Arbeit in den Gemeinden und lösen Konflikte manchmal auch in Zusammenarbeit mit Mitgliedern der Räte der Gemeinden. In den 13 Konflikten, in denen sie bereits vermitteln konnten, ging es überwiegend um Auseinandersetzungen um Land, aber auch bei Ehestreitigkeiten und anderen sozialen Konflikten wurden sie bereits eingeschaltet.

Dabei agieren die Friedenskomitees stets ehrenamtlich und auf der Basis von Freiwilligkeit. Anstelle von Urteilen geben sie Ratschläge und appellieren an den guten Willen der Dorfbewohner*innen. Im Fokus steht das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen, die für alle Beteiligten gerecht und machbar sind. Für Laurent und seinen Nachbarn hat das funktioniert. Die beiden sind durch die Mediation wieder Freunde geworden und helfen sich im Alltag häufig gegenseitig aus.

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