Roter Teppich für den Investor

Baukollegium änderte in geheimer Sitzung Position zu Signas Hochhaus-Projekt in der City West

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 5 Min.
So sieht die bisherige Karstadt-Immobilie am Ku’damm aus, künftig soll man den Himmel hier suchen müssen.
So sieht die bisherige Karstadt-Immobilie am Ku’damm aus, künftig soll man den Himmel hier suchen müssen.

»Es zeigt sich, dass bei einer Reihe von Stadtentwicklungsprojekten eine intransparente Hinterzimmerpolitik stattfindet«, sagt Julian Schwarze. Der Stadtentwicklungspolitiker der Grünenfraktion im Abgeordnetenhaus ist empört, dass erst kürzlich durch seine parlamentarische Anfrage bekannt wurde, dass das Baukollegium in einer geheimen Sitzung die Position zum Signa-Projekt am Kurfürstendamm änderte.

Der hochumstrittene österreichische Immobilien- und Warenhauskonzern will am dortigen Karstadt-Standort in die Höhe bauen. Noch Ende 2018 lehnte das Baukollegium es ab, dass am Breitscheidplatz drei Hochhäuser entstehen. Doch dabei blieb es nicht, wie die Antwort auf eine parlamentarische Anfrage von Schwarze zeigt. Das Fachgremium, das bei städtebaulichen Fragen berät, änderte seine Position im August 2021 – kurz vor den Berlin-Wahlen. Es verständigte sich darauf, Signa keine Vorgaben für die Anzahl der Hochhäuser zu machen. Auch bei der Gebäudehöhe wurde als Maximum lediglich die Höhe der zwei größten bereits vor Ort stehenden Türme ausgegeben, die 120 Meter in den Himmel ragen.

Erfahren hatten Politik und Öffentlichkeit davon nichts. Dass es die nicht-öffentliche Sitzung überhaupt gab, veröffentlichte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung erst nach Schwarzes Anfrage auf der entsprechenden Website. Auch in der Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses diese Woche verteidigte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Entscheidung, dass die Sitzung des Baukollegiums nicht-öffentlich stattgefunden hat. Eine Reihe von weiteren nicht-öffentlichen Sitzungen wurde aufgezählt und darauf verwiesen, dass Bauherren manchmal auch nicht spruchreife Vorhaben zur Beratung geben.

Julian Schwarze überzeugt diese Argumentation nicht. Natürlich sei es manchmal nötig, sich vertraulich zu beraten, es müsse aber Transparenz darüber herrschen, dass diese Beratungen stattgefunden haben, sagt er. »Es ist ein Unterschied, ob ein Gremium nicht-öffentlich tagt oder ob auch noch verschwiegen wird, dass es überhaupt getagt hat.« Schwarze betont, dass das Baukollegium in dieser Sitzung seine Position zum Signa-Projekt geändert hat. Eine weitreichende Entscheidung, über die die Öffentlichkeit Bescheid wissen müsse.

Dass die Inhalte der Sitzung geheim blieben, erklärt sich der Grünen-Politiker auch mit der Brisanz, die die Hochhausprojekte des Signa-Konzerns haben. Ihm dränge sich der Eindruck auf, dass die Änderung der Position zu Signa bewusst geheim gehalten wurde. »Andererseits wäre gut denkbar gewesen, dass es zu einigen Diskussionen auch über die Rolle und das Vorgehen des damaligen linken Stadtentwicklungssenators Sebastian Scheel hierbei gekommen wäre«, sagt Schwarze.

Dieser hatte ab August 2020 das Amt der zurückgetretenen Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) übernommen. Scheel, der einmal von sich sagte, dass er beim Wohnungsbau kein Parteibuch kennt, war eine nicht bei allen beliebte Personalie. In der »Berliner Zeitung«, die als erstes über Schwarzes Anfrage berichtete, rechtfertigte Scheel vergangene Woche den nicht-öffentlichen Termin des Baukollegiums als »internen Arbeitstermin«. »Das Baukollegium hat in dieser Beratung Empfehlungen herausgearbeitet, unter welchen Prämissen der Bau von Hochpunkten aus Sicht des Baukollegiums möglich wäre«, sagte er der Zeitung. Scheel legte sein Mandat kurz nach der Abgeordnetenhauswahl 2021 nieder. Wie mittlerweile bekannt wurde, will er, falls es bei der Wiederholungswahl für ihn reicht, das Mandat wieder wahrnehmen.

Irritiert von der Geheimhaltung ist auch Katalin Gennburg, die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Der Fall sei aus mehreren Gründen ein »schwerer Skandal«. »Mitten im Wahlkampf hat eine geheime Sitzung stattgefunden, bei der die Hausleitung nicht anwesend war und bei der im Sinne des Investors ein vorheriger Beschluss des Baukollegiums revidiert wurde.« Es könne nicht sein, dass Politik und Öffentlichkeit erst jetzt davon erfahren haben. »Ich hätte mich gefreut, wenn mein Genosse Ex-Senator mir einen sachdienlichen Hinweis in der Angelegenheit gegeben hätte«, zeigt sich Gennburg verstimmt.

Unter anderem um zu erfahren, wer wann von dem Termin gewusst hat, will die Linke-Politikerin Akteneinsicht beantragen. Es geht ihr dabei auch um die Integrität des Baukollegiums. Dass dieses zum Teil nicht-öffentlich tagt, sei richtig, damit die Architekten sich auch im geschütztem Raum austauschen können. Es müsse aber verhindert werden, dass das Gremium, das fachliche städtebauliche Bewertungen vornehmen soll, »ideologisch überfrachtet« wird vom Willen aus Politik oder Verwaltung.

Das ist nicht zuletzt deshalb zu befürchten, weil die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in ihrer Antwort auf Schwarzes Anfrage als Anlass für das Umdenken im Baukollegium die 2020 zwischen Senat und Signa geschlossene Absichtserklärung nennt. In dem sogenannten »Letter of Intent« (LOI), den damals auch Linke-Bürgermeister Klaus Lederer mitunterzeichnete, machte der Senat Zusagen für Signas Immobilienprojekte in Berlin, im Gegenzug verpflichtete sich der Konzern auf befristete Arbeitsplatzgarantien bei der damals schon in Insolvenz geratenen Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof. Ziel der Sitzung sei gewesen, einen »Kompromissvorschlag« zu finden zwischen der Haltung des Baukollegiums von 2018, der Verabredung aus dem LOI, der ein bis zwei Hochpunkte vorsah und den Entwürfen des Unternehmens mit zwei 120 beziehungsweise 150 Meter hohen Gebäuden.

Julian Schwarze ist der Ansicht, dass das Baukollegium über das, was im LOI zugesagt wurde, hinausging. Denn im LOI wird von einer »Integration« der Signa-Hochhäuser »unter Berücksichtigung der Höhendominanten am Breitscheidplatz«, also der beiden rund 120 Meter hohen Gebäude Upper West und Zoofenster, gesprochen. Im Protokoll der Sitzung des Baukollegiums ist unter anderem zu lesen, dass »keine Höhendefinition« gemacht werde. Maximalhöhe seien die beiden bestehenden 120-Meter-Gebäude. Doch wenn Signa am Ende genauso hoch bauen darf, wären die Türme Upper West und Zoofenster keine »Höhendominanten« mehr, wie es noch der LOI vorsah. »Das wird jetzt von Herrn Geisel dankend aufgenommen. Ich rechne nicht mehr damit, dass lediglich 60 Meter in die Höhe gebaut wird«, sagt Julian Schwarze. Mittlerweile ist ein Werkstattverfahren zur Entwicklung des Areals gestartet.

Die Debatte über die Hochhausprojekte von Signa ist dabei noch nicht zu Ende. Die Kaufhaussparte des Konzerns ist erneut insolvent. Weil das Unternehmen, anders als im LOI 2020 verabredet, nichts für die Sicherung der Arbeitsplätze unternommen hätte, ist die Absichtserklärung mit den Zusagen für die Immobilienprojekte laut Politikern von Linke und Grünen hinfällig. Mittlerweile ist das Unternehmen auch in den Fokus der Finanzaufsicht geraten. Selbst die Ratingagentur Creditreform bewertete die Aussichten für Signas wichtigste Immobilientochter im September als »negativ«. Fehlt nur noch die SPD.

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