Halbfester zum Fest

Zum Wein schmeckt Käse – auch Heiligabend

Passen Wein- und Käseproben überhaupt zu einer linken Zeitung? Das fragte mich eine Freundin, als ich erwähnte, dass das nd-Feuilletonressort sich abends im Wohnzimmer eines Redakteurs zusammenfinden wolle, um sich zu Kartoffelsalat und Buletten durch fünf Wein- und drei Käsesorten zu testen – einzig im Dienst der geneigten Leserschaft natürlich.

Die Frage ist berechtigt, immerhin haben Linke – und nein, damit sind nicht Grünen-Wähler gemeint – durchschnittlich weniger Geld zur Verfügung als etwa Konservative oder Liberale, in deren Leitmedien gerade Sterneköche ihre raffinierten Weihnachtsmenüs aus hochpreisigen Zutaten präsentieren. Und wenn man schon nicht so viel hat, will man davon mitten in einer Rezession, in der Heiz- und Lebensmittelkosten explodieren, vielleicht nicht unbedingt Delikatessen erwerben.

Doch die Weine, die wir für Sie getestet haben, sind zum Glück keine preislichen Schwergewichte. Dazu hoffen wir, dass Sie sich zumindest Heiligabend und an den Weihnachtsfeiertagen ein wenig Luxus gestatten können. Schließlich braucht es eine sinnliche Ahnung davon, wofür es sich politisch einzusetzen lohnt – eine Gesellschaft, in der alle sechs Jahre gereiften Parmesan zum Frühstück essen können zum Beispiel. Daher fuhr das Ressort, nachdem es den Negroamaro zum besten Begleiter des Heiligabend-Kartoffelsalats gekürt hatte (s. Rotweinartikel), pflichtbewusst fort zur Käseprobe: Grindelwalder Bergkäse, Bergkristall und Douceur d‹Auvergne hatte der Käsehändler in der Berliner Arminiusmarkthalle zum Rotwein empfohlen. Erste Erkenntnis: In Begleitung aller Käsesorten schmeckt der Negroamaro plötzlich etwas zu kräftig, sauer, stechend. Stattdessen kann der Valpolicella mit seinem milden Honigaroma (das zumindest von mir festgestellt wurde) auftrumpfen. Sieger sind also nicht immer und überall Sieger, sondern es kommt auf die Umstände an – beruhigend.

Diese Einsicht hielt uns allerdings im Folgenden nicht davon ab, auch die Käsesorten gnadenlos einer Hierarchie zu unterwerfen. Schon bald zeichnet sich der Douceur d‹Auvergne als allgemeiner Liebling ab: Leicht säuerlich im Geschmack ist »der Sanfte« die passende Ergänzung zum ebenfalls milden Wein. Hervorzuheben ist hier außerdem die Konsistenz: Es handelt sich um einen Halbfesten, der in etwa wie gewöhnlicher Camenbert aus dem Supermarktregal aussieht, aber doch etwas standhafter ist – er trifft einen Sweet Spot zwischen hart und weich. Auf dem zweiten Platz landete der Grindelwalder Bergkäse, der mit einer interessanten Salzigkeit aufwarten kann, die man aufgrund des Namens eher vom Bergkristall erwartet hätte. Dieser wiederum ist der intensivste, herausfordernste: Er schmeckt ziemlich nach Bauernhof – auch ein Kunstwerk, aber er lässt den Wein zu sehr in den Hintergrund treten. So zumindest unser einstimmiges Urteil. Doch kann man Journalisten trauen? Am besten, Sie testen selbst noch einmal, es lohnen jedenfalls alle drei Sorten.

Die genannten Käsesorten lassen sich sicher bei einem Käsehändler in Ihrer Nähe, sonst aber auch im Internet in großen Mengen beziehen:
Bergkristall: gunzesrieder-bergkaese.de; Grindelwalder Bergkäse: vomchaeser.ch/produkt/grindelwalder-bergkaese; Douceur d’Auvergne: hennart-fr.com

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