Das Auswärtige Amt gibt sich uninformiert

Bundesregierung lässt bei Kleiner Anfrage der Linksfraktion zu Namibia fast alle Fragen offen

  • Christian Selz, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.
Weiße sind in Namibia eine Minderheit, haben auf den meisten Farmen aber das Sagen
Weiße sind in Namibia eine Minderheit, haben auf den meisten Farmen aber das Sagen

Wer als Tourist einmal durch die Weiten Namibias gefahren ist, dem wird kaum verborgen geblieben sein, dass hinter den langen Farmzäunen noch immer überwiegend Weiße das Sagen haben. Die Besitzverhältnisse – Folge des Völkermords, den deutsche Truppen zwischen 1904 und 1908 an den Herero und Nama in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika verübten – haben sich auch nach der Unabhängigkeit 1990 nur sehr langsam verändert. Etwa 70 Prozent des kommerziell genutzten Agrarlands sind laut einer Erhebung von 2018 in Händen »ehemals privilegierter Personen«, also Weißer. Die deutsche Bundesregierung will davon jedoch nichts wissen. Das zumindest ist das Fazit einer nun veröffentlichten Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen und der Linksfraktion.

»Hat die Bundesregierung Kenntnisse darüber, ob die im Rahmen des Landraubs geschaffenen Eigentumsverhältnisse bis heute weithin unangetastet geblieben sind?«, wollte Dağdelen unter anderem wissen. Die Antwort des Auswärtigen Amts, in Original-Grammatik: »Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor.« Auch zu den weiteren Fragen gibt sich das Außenministerium wortkarg. »Keine eigenen Erkenntnisse« will die Bundesregierung dazu haben, ob die durch den Ankauf von Land durch die namibische Regierung zu Marktpreisen angefallenen hohen Kosten die Landreform verlangsamt haben, »keine Erkenntnisse« auch dazu, ob »mit Mitteln der deutschen Entwicklungszusammenarbeit« überhaupt »Landerwerb durch die namibische Regierung finanziert wurde«. Und selbstverständlich hat das Auswärtige Amt demnach auch »keine Erkenntnisse«, ob »die für die Unterstützung der namibischen Landreform bzw. das nationale Umsiedlungsprogramm vorgesehenen finanziellen Mittel ausreichen, um die im Zuge der deutschen Kolonialzeit entstandene ungleiche Verteilung kommerziellen Farmlandes zu überwinden«.

Einmal aber zeigt sich das Auswärtige Amt doch informiert: Dass heute noch etwa 70 Prozent des Farmlandes in weißer Hand seien, bezeichnet die Behörde als »Fortschritt und Erfolg«, da es 1990 noch 97 Prozent gewesen seien. Zur Einordnung: Nur etwa sieben Prozent der gut 2,5 Millionen Namibier sind Weiße. Für Dağdelen ist die Antwort der Bundesregierung deshalb »einfach nur zynisch«. »Es ist beschämend und spricht einer vorgeblich wertegeleiteten Außenpolitik Hohn, wenn die Interessen der deutschsprachigen weißen Großfarmer weiterhin wichtiger zu sein scheinen als die Belange der vom deutschen Kolonialismus enteigneten Bevölkerung«, kritisierte die Linke-Obfrau im Auswärtigen Ausschuss am Donnerstag gegenüber »nd«.

Fragwürdig scheint das in den Antworten auf die Kleine Anfrage zur Schau gestellte Desinteresse der Bundesregierung an einer Veränderung der ungleichen Besitzverhältnisse in Namibia allerdings auch vor dem Hintergrund, dass Berlin nach wie vor will, dass Namibia die im vergangenen Jahr noch von der Großen Koalition ausgehandelte »Gemeinsame Erklärung« zum Völkermord verabschiedet. Namibias Regierung verlangt in den nicht-öffentlichen Verhandlungen nun höhere Zahlungen als die seinerzeit versprochenen 1,1 Milliarden Euro über einen Zeitraum von 30 Jahren. Die traditionellen Autoritäten der Nama und Herero fordern einen völligen Neustart der Verhandlungen unter ihrer Beteiligung.

Die Bundesregierung signalisiert jedoch kaum Gesprächsbereitschaft. Für die Verabschiedung der »Gemeinsamen Erklärung« sei »die Unterschrift der Regierung ausreichend«, die Zustimmung der Parlamente in Deutschland und Namibia also nicht erforderlich. Trotz des massiven Widerstands in Namibia geht das Auswärtige Amt der jetzigen Antwort zufolge gar »davon aus, dass die Gemeinsame Erklärung sich nach ihrer Annahme positiv auf die betroffenen Gemeinschaften auswirken wird.«

Dağdelen, die im November zu Gesprächen mit Vertretern der Regierung sowie der Herero- und Nama-Verbände in Windhuk war, mahnt einen Kurswechsel an. »Es ist breiter Konsens in Namibia, dass das Ergebnis der bilateralen Verhandlungen nicht ausreichend ist. Die Bundesregierung muss sich endlich bewegen und aufhören, in neokolonialer Manier ihre Form der Geschichtsaufarbeitung in Namibia durchsetzen und die weitere Spaltung der namibischen Gesellschaft zu ihrem Vorteil vorantreiben zu wollen.«

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