Thüringer Genossen in Unruhe

Sozialdemokraten im Freistaat fechten hinter verschlossenen Türen einen Machtkampf aus

  • Sebastian Haak
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist erst einige Tage her, da haben sich mehrere Spitzengenossen der Thüringer SPD in Erfurt getroffen. Der Landesvorsitzende der Partei, Georg Maier, war da. Unter anderem die stellvertretenden Parteivorsitzenden Katharina Schenk und Cornelia Klisch. Außerdem die Thüringer Juso-Vorsitzenden Maximilian Schröter und Melissa Butt. Und auch die frühere stellvertretende Landesvorsitzende Diana Lehmann.

Was dieses Treffen bringen sollte, warum es einberufen wurde? Die Darstellungen dazu gehen weit auseinander. Die Genossen hätten sich aussprechen und sich ihrer gegenseitigen Unterstützung versichern wollen, heißt es aus Teilnehmerkreisen einerseits. Man habe abweichende Meinungen auf Linie bringen wollen, sagen andere, die ebenfalls dabei waren.

Für die Lage, in der sich die Thüringer SPD befindet, seit sie im September auf einem Landesparteitag in Suhl eine neue Führung gewählt hat, sind dieses Treffen und diese Schilderungen in vielerlei Hinsicht bezeichnend. Denn auf nicht wenige Dinge, die zuletzt innerhalb der Partei passiert sind, haben verschiedene Sozialdemokraten ganz unterschiedliche Sichtweisen. Sichtweisen, die oft nur auf einem ziemlich kleinen gemeinsamen Fundament gründen. Dass dieser Parteitag zu ziemlicher Unruhe innerhalb der Partei geführt hat, ist eine solche gemeinsame Wahrnehmung. Aber schon bei der Feststellung, ob diese Unruhe nun groß oder klein ist, gehen die Differenzen los. Erst recht dabei, ob die Partei heute gespaltener ist als zuvor.

Ähnlich bezeichnend wie die verschiedenen Wahrnehmungen des Erfurter Treffens für den Zustand der Partei sind, ist es, welche verschiedenen Perspektiven es innerhalb der SPD darauf gibt, dass die derzeitige Landesgeschäftsführerin der Sozialdemokraten, Anja Zachow, diesen Posten räumen wird. Kaum war diese Nachricht in der Welt, schrieb Maier in einem Mitgliederbrief an die »lieben Genossinnen und Genossen«, Zachow gehe »auf eigenen Wunsch«. Andere in der Partei sagen: »Das ist eine Lüge.« Es seien seit dem Landesparteitag in Suhl so lange böse Gerüchte über Zachow gestreut worden, dass sie am Ende gar keine andere Wahl gehabt habe, als zu gehen. Sie sei aus dieser Position »herausgemobbt« worden.

Welche Darstellung zutrifft? Zachow will sich zu den Hintergründen ihres Abschieds aus der Landesgeschäftsstelle nicht äußern.

Dass der Parteitag in Suhl für die SPD so gravierende Folgen hat, liegt daran, dass Lehmann von den Delegierten bei dieser Gelegenheit nicht erneut zur stellvertretenden Landesvorsitzenden gewählt worden war. Dafür rückte Schenk – die unter dem Innenminister Georg Maier als Kommunalstaatssekretärin arbeitet – zur stellvertretenden Parteichefin auf. Für Lehmann persönlich war das ein herber Schlag. Ebenso für zahlreiche Genossen, die sich ihr und ihrer politischen Arbeit verbunden fühlen. Butt formulierte diese Kritik – vor dem Treffen von Erfurt – stellvertretend für so viele Jusos ganz offen. Sie ist eine der wenigen, die sich mit Namen zum Zustand der Partei zitieren lassen. Die allermeisten ziehen es vor, nur hinter verschlossenen Türen über dieses Thema zu reden.

»Die Partei hat in Suhl eine Richtungsentscheidung getroffen«, sagt Butt. »Mit der Abwahl von Diana Lehmann hat man den Pluralismus der Partei angegriffen.« Von der Causa Lehmann gebe es deshalb auch eine direkte Linie zur Causa Zachow. Nachdem Lehmann aus dem Führungsgremium der Landes-SPD geflogen sei, sei die »Absetzung« der Landesgeschäftsführerin »der nächste logische Schritt« gewesen.

Seit 2018 und bis zum Parteitag von Suhl hatte man ein für Thüringer-SPD-Verhältnisse fast schon unheimlich harmonisches Miteinander gepflegt. Jedenfalls öffentlich. Als vor nunmehr fast fünf Jahren Wolfgang Tiefensee Parteichef geworden war, hatte er es geschafft, die Partei – in der sich Genossen über Jahre hinweg heftigste innerparteiliche Auseinandersetzungen geliefert hatten –zumindest nach außen hin zu einen und zu professionalisieren. Letzteres hatte er vor allem dadurch bewerkstelligt, dass er Zachow – die über Lagergrenzen hinweg als fleißig und kompetent gilt – zur Landesgeschäftsführerin machte. Und selbst als Tiefensee 2020 aus dem Amt geschieden und Maier Parteivorsitzender geworden war, hielt diese Harmonie zunächst an. Das wiederum nicht zuletzt dadurch, dass Lehmann damals darauf verzichtet hatte, sich als Parteichefin zu bewerben und sich mit einem Vizeposten begnügte. So war die Lager-Macht-Arithmetik innerhalb der Partei intakt geblieben, die nun mit der Abwahl Lehmanns eben beschädigt ist.

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