Haushalt schafft wenig Vertrauen

Seit zwei Monaten im Amt, zeigt in Italien die Regierung von Giorgia Meloni erste Schwächen

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 5 Min.

Seit gut zwei Monaten ist nun die Rechtskoalition aus Fratelli d’Italia (FdI), Lega und Forza Italia (FI) im Amt. Erste Befürchtungen, die führende Kraft der Koalition – die FdI – werde unter Reminiszenzen an den Mussolini-Faschismus ein postfaschistisches Regime in Rom errichten, bewahrheiteten sich nicht.

Giorgia Meloni, die sich noch im Wahlkampf kämpferisch-konservativ engagierte, gab sich nach Amtsübergabe ihres Vorgängers Mario Draghi eher moderat. Sie versicherte nach Brüssel, man werde den wirtschaftlichen Kurs des früheren EZB-Chefs behutsam fortsetzen. Und gleichsam an EU und Nato richtete sich die Adresse, Italien stehe fest zu seinen Bündnisverpflichtungen und halte an der Solidarität mit der von Russland angegriffenen Ukraine fest. Dass dies alles nicht umsonst zu haben ist, musste die Regierung bei der Ausarbeitung ihres ersten Haushaltsgesetzes für 2023 erfahren.

Wie zu jeder italienischen Wahl waren auch diesmal die Parteien mit vollmundigen Wahlversprechen angetreten. Lega-Chef Matteo Salvini hatte eine Einheitssteuer von 15 Prozent und eine Steueramnestie zu Weihnachten in Aussicht gestellt. Ex-Cavaliere Silvio Berlusconi wollte allen Rentnern eine Mindestpension von 1000 Euro monatlich garantieren.

Keiner von beiden jedoch wollte erklären, woher die finanziellen Mittel für solche Wahlgeschenke kommen sollen. Giorgia Meloni gab ihren Koalitionspartnern die erste kalte Dusche und erklärte, solche Zusagen könnten seitens ihrer Regierung nicht gemacht werden. Man werde einen Haushalt aufstellen, der möglichst wenig Geld aus Brüssel beanspruchen sollte, um sich nicht in weitere Abhängigkeiten zu begeben.

Von der Krise eingeholt

Eine Woche vor Weihnachten brachte die Koalition nun einen Entwurf ein, der wegen vieler unklarer Festlegungen sofort in die Fachausschüsse zurückverwiesen wurde. Etwa ein halbes Hundert Änderungen und Ergänzungen mussten vorgenommen werden, bis schließlich ein abstimmungsfähiges Dokument auf den Tischen der Abgeordneten lag.

Meloni, die mit dem Haushaltsentwurf eine Vertrauensabstimmung verband, brauchte sich keine großen Sorgen zu machen: Die komfortable Mehrheit im Abgeordnetenhaus sorgte dafür, dass der Gesetzentwurf mit 221 zu 152 Stimmen angenommen wurde. Auch im Senat verfügen FdI, Lega und FI mit 115 der 200 Mandate über eine Mehrheit, sodass die Passage des Haushaltes hier nur Formsache ist und das Gesetz am 1. Januar in Kraft tritt. Die Regierung zeigte sich zufrieden, keinen »Nothaushalt« einsetzen zu müssen.

Bereits mit der Verabschiedung des Haushaltes 2023 zeigt sich, dass die reale Krise die Pläne längst eingeholt hat. Zwar sind etliche Steuererleichterungen – so unter anderem Mehrwertsteuersenkungen auf Grundbedarfsartikel – vorgesehen, auch soll die Mindestrente auf 571 Euro (sowie auf 600 Euro für über 75-Jährige) monatlich erhöht werden, doch werden diese Erleichterungen bereits von der galoppierenden Inflation und von den Krisenfolgen des Ukraine-Konflikts »aufgefressen«.

Hinzu kommen drastische Kürzungen für die öffentliche Hand. Gespart wird im öffentlichen Gesundheitswesen, Schulbereich und in der allgemeinen Verwaltung – jeweils zugunsten des Privatsektors. Gewerkschaften und Berufsorganisationen klagen darüber, dass dem Bereich Arbeit im Haushaltsentwurf zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Die Pläne der Regierung würden den prekären Sektor weiter ausdehnen, Kündigungen erleichtern und den Unternehmen größere Möglichkeiten einräumen, Arbeitsverträge kürzer zu terminieren.

Sinkende Kaufkraft

Eine bereits jetzt schon zu beobachtende steigende Verarmung der Bevölkerung dürfte sich in den kommenden Monaten noch deutlich verstärken. Befürchtungen, die von den nüchternen Zahlen der nationalen Statistikagentur Istat unterstrichen werden: Ausgehend von einem Preisindex für 2015 mit 100 Punkten ist dieser im Dezember 2021 auf 106,6 und bis zum November dieses Jahres auf 118 Punkte gestiegen. Lebensmittel sind im zu Ende gehenden Jahr um 13,6 Prozent, Ausgaben für Elektroenergie, Gas und kommunale Dienstleistungen wie Müllabfuhr insgesamt um 56,3 Prozent gestiegen. Für weitere Dienstleistungen muss man in Italien 7,6 Prozent mehr aufwenden als noch im Vorjahr. Die Italiener sind mittlerweile bei einer Kaufkraft von 1991 angekommen, bescheinigen die Statistiker.

Es wirft ein bezeichnendes Bild auf die aktuelle Regierung, wenn parallel zu den Haushaltsdebatten eine Reihe von mehr oder minder bizarren Gesetzen zur Diskussion gelangen, die fast mehr Staub aufwirbeln als die dringenden Wirtschaftsentscheidungen. So diskutierte man im Parlament und in der Öffentlichkeit ein Gesetz, das die Jagd auf Wildschweine, Wölfe und Bären auch in städtischen Parks erlaubt. Für Römer, die sich inzwischen an eine Population von bis zu 1000 Wildschweinen in der Stadt gewöhnt haben, mag dies kein absurder Gedanke sein. Allerdings fragt die lokale Presse schon, ob man demnächst mit schusssicherer Weste zum Joggen in dem beliebten Park Villa Borghese antreten muss.

Ähnlich wenig dringend scheint ein Vorschlag der Regierung, Eheschließungen, die in der (katholischen) Kirche vorgenommen werden, zu prämieren. Ein Dekret, dass die konservativ-katholische Meloni durchaus bereit ist zu unterzeichnen.

Und wenn solche Maßnahmen nicht helfen, gibt es immer noch den Rückgriff auf die Migranten, die sich 2022 in steigender Zahl dem Belpaese genähert hatten. Zurecht verweist die Regierungschefin darauf, dass Italien nur unzureichend von den europäischen Partnern unterstützt werde. Wiederholt betonte Meloni, dass die Türen Italiens in Not Geratenen offen stünden, gegen illegale Einwanderung jedoch vorgegangen würde. Und begründet dies mit den Worten: »Wir nehmen hier Leute auf, die willens und in der Lage waren, 4000 Euro für Schlepper zu zahlen.« Ein Populismus, mit dem sie bei den von Not bedrückten Landsleuten punkten will. Ob dies gelingt, werden die kommenden Monate zeigen.

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