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Die Angst vor dem Knall
Bei den alljährlichen Diskussionen um Böllerverbote geht es vor allem um Kontrolle
Es geht wieder los, das alljährliche Böller-Bashing. Haustiere mit posttraumatischer Belastungsstörung, durch Feinstaub verpestete Lungen, verlorene Finger und Brände aller Art – die Risiken einer pyromanischen Silvesternacht sind nicht zu leugnen.
Die Obsession, mit der sich Politiker*innen und staatliche Institutionen auf das Thema stürzen, lässt sich aber nicht allein mit selbstloser Sorge um ihre Mitmenschen und Mittiere erklären. Sonst müssten sich Feuerwehr und Polizei mit vergleichbarer Dringlichkeit für ein Tempo 100 oder autofreie Innenstädte stark machen. Der Verbrennerverkehr ist schließlich nicht nur an einer, sondern an 365 Nächten (und Tagen) im Jahr für schlechte Luft und schwere Unfälle verantwortlich.
Aber Autos sind kein Werkzeug politischen Widerstands – wer schon einmal einen hupenden Autokorso mit unklarer Botschaft gesehen hat, kann das bestätigen. Die Fahrzeuge beschwören höchstens Lärm, aber keinen »kämpferischen Geist« herauf. Anders bei Böllern und Raketen: Sie sorgen nicht nur für Aufmerksamkeit, sondern können ein Gemeinschaftsgefühl entstehen lassen, das den Protest erst stark werden lässt.
Dass die Berliner Polizei nun eine dritte Verbotszone rund um die JVA Moabit installiert, zeigt, dass es bei den Diskussionen um Feuerwerksverbote auch um die Angst vor Kontrollverlust geht. Und das ganz konkret: Silvester 2018 wäre ein Insasse fast erfolgreich ausgebüchst, weil die Wärter von den Fehlalarmen abgelenkt waren. Nun wirkt es so, als ob das Böllerverbot inklusive Hamburger Gitter und Taschenkontrollen weniger als Schutzmaßnahme und vielmehr als Einschränkung der traditionellen Knast-Demo entworfen wurde.
Feuerwerk sollte verantwortungsvoll verschossen werden, ohne Frage. Es gilt, gleichzeitig die Verbotszonen abzulehnen, die unter Umständen weiter wachsen und zurück zu einem Komplettverbot führen. In diesem Sinne: Let′s knall!
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