Immer schön die Kaufkraft steigern

Kommunismus ist effektiv, Kapitalismus nicht so – das lernt man im Computerspiel »Victoria 3«

  • Ralf Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Zeit von »Victoria« sah die Welt noch ganz anders aus.
In der Zeit von »Victoria« sah die Welt noch ganz anders aus.

Ende Oktober veröffentlichte die schwedische Computerspielfirma Paradox die dritte Version ihrer Gesellschaftssimulation »Victoria«. Das Spiel ist in der Zeit der Industrialisierung angesiedelt und soll den Spielenden die Möglichkeit bieten, ein beliebiges Land der Welt unter ihre Fittiche zu nehmen. Die eigentliche Aufgabe ist es, das Land stabil zu entwickeln, wirtschaftlich, politisch und gesellschaftlich. Ganz nach dem eigenen Gusto eben. Vielleicht einer der Gründe, warum die internationale Community tobt.

»Ich genieße die ziemlich gleichmäßige Aufteilung zwischen Posts, die sich darüber beschweren, dass der Kommunismus unschlagbar effektiv ist, und Posts, die sich darüber beschweren, dass der Kommunismus völlig unspielbar ist«, zitiert das Magazin »Kotakue« einen User aus dem weltweit frequentierten Forum »Reddit«. Kurz gesagt: In diesem Spiel ist der Weg zum wirtschaftlichen Erfolg mit einigen erleuchtenden Erkenntnissen zum Historischen Materialismus gepflastert. Während am Anfang (das Spiel startet im Jahr 1836), zumeist Großgrundbesitzer, die Kirche sowie die Landbevölkerung die bestimmenden Interessengruppen sind, wächst mit der fortlaufenden Industrialisierung der Einfluss der Industriellen, aber auch der von den Gewerkschaften.

Die Überführung einer Gesellschaft hin zu einer Räterepublik, in der Arbeitergenossenschaften die Betriebe führen, ist einer der effizientesten Wege, die Probleme der Verteilung schnell zu meistern. Denn dann wird der gesamte kapitalistische Reichtum an die Arbeiter übergeben, infolgedessen deren Kaufkraft dafür sorgt, dass sich die Nachfrage erhöht. Letztlich führt dies zu einem höheren Lebensstandard der gesamten Bevölkerung. Eines der Hauptziele im Spiel.

Auf einigen Internetforen sorgt die schwache Performance einer kapitalistischen Wirtschaftsform teilweise für derartige Ablehnung, dass sich einige bemüßigt fühlten, das Spiel selbstständig so zu modifizieren, dass es auch mit Kapitalismus klappt. Doch die größte Kritik an dem Spiel ist die an seiner Funktionsfähigkeit.

Viele Käufer*innen des Spiels beschwerten sich über die deutlich schwache Performance, selbst auf leistungsstarken Rechnern, über unzählige Bugs sowie die Unspielbarkeit des »Multiplayermodus«. Hauptkritikpunkt ist, dass die Spielmechaniken nicht an die Komplexität des Vorgängers heranreichen. Jedes Land, das man online bespielt, ist nämlich ähnlich programmiert und die Abläufe sind immer dieselben. Karl Marx erklärte einmal in den »Ökonomisch-Philosophischen Manuskripten«, dass der Arbeiter nun auch Knecht sei, nicht aber Knecht des Herrn, sondern des Werkstücks. Das kann man so vielleicht auch auf das Spiel »Victoria 3« übertragen, wo der Spieler der Knecht und das Werkstück das Spiel ist.

Dass sich militärische Auseinandersetzungen meist negativ auf den wirtschaftlichen Aufstieg aller Beteiligten auswirken, sorgte kaum für Kritik: Vielleicht ist das Resultat doch zu realistisch? Die Darstellung und Ausführung der Kriege und Schlachten aber sind für die Spieler kaum nachzuvollziehen, was wiederum zu Aufregung in der Gaming-Szene führte. Insgesamt wurde mit »Victoria 3« zwar die Grundlage für ein interessantes Computerspiel entwickelt, jedoch ist die aktuelle Version verbesserungswürdig. Ein gutes Spiel sollte sich doch nicht wie Lohnarbeit ohne Lohn, sondern wie ein süßer Zeitvertreib anfühlen, oder?

»Victoria 3« (Paradox)

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