Rückzug aus der Politik

Vietnamesischer Präsident tritt wegen Korruptionsfall zurück

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei nahm am Dienstag in einer eilig einberufenen Sondersitzung das Rücktrittsgesuch von Präsident Nguyen Xuan Phuc von seinen Parteiämtern an. Seiner Funktion als Staatschef kann ihn aber nur das Parlament entheben: Laut offiziellen Angaben ist dafür am Mittwoch eine Sondersitzung anberaumt, um den zurückgetretenen Präsidenten zu entlasten und einen Nachfolger zu wählen. Namen wurden nicht genannt. »So viel Hektik bei einem Politikerrücktritt gab es noch nie«, sagte dem »nd« ein politischer Beobachter, der ungenannt bleiben will. In Vietnam sind gerade Ferien zum Neujahrsfest, dem wichtigsten Fest des Jahres; die Menschen sind mit Vorbereitungen beschäftigt und normalerweise ruht der Politikbetrieb. Zumal Parteispitze und Parlament erst vor Kurzem zu Sondersitzungen zusammengetreten sind, weil zwei stellvertretende Premierminister ihren Rücktritt erklärt hatten – ohne Begründung.

Verantwortung für Korruptionsfall

Präsident Phuc hat hingegen Gründe für seinen Rücktritt angeführt: Er wolle die politische Verantwortung für Korruptionshandlungen seiner Mitarbeiter im Zusammenhang mit Medizinprodukten übernehmen. Es geht um den überteuerten Coronatest Viet A, den eine vietnamesische Kleinfirma mit erheblicher staatlicher Unterstützung 2020 entwickelte und im großen Stil vertrieb. Die Firma zahlte reichlich Bestechungsgelder an hohe Politiker, um den Vertrieb anzukurbeln. Mehrere Politiker waren deswegen festgenommen worden, darunter zwei Minister. Und Präsident Phuc war damals Ministerpräsident.

Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit und sie erklärt nicht, warum der Rücktritt ausgerechnet in der Woche des vietnamesischen Neujahrsfestes erfolgte. Was nicht gesagt wurde: Auch gegen die Ehefrau von Phuc wird wegen der Coronatests ermittelt, mehrere ihrer Verwandten waren erst letzte Woche festgenommen worden. Damit wuchs der politische Druck auf Phuc.

Der zurückgetretene 68-jährige Staatspräsident stammt aus einer Politikerfamilie im Süden Vietnams und hat Jura studiert. Er wurde dem Wirtschaftsflügel innerhalb der Kommunistischen Partei zugerechnet. Seit die Flügelkämpfe ab 2016 stärker aufflammten und mehrere Vertreter des Wirtschaftsflügels abgesetzt und vor Gericht gestellt wurden, verhielt sich Phuc flügelneutral und konnte politisch weiter aufsteigen.

Streit um den Nachfolger

Hinter den Kulissen wird heftig um den Nachfolger Phucs gestritten. Die größten Ambitionen werden dem 65-jährigen Innenminister To Lam zugesprochen, einem innenpolitischen Hardliner mit erheblicher krimineller Energie. Er hat die Unterstützung Chinas, was in Vietnam nicht ganz unwichtig ist. To Lam war es, der 2017 die Entführung des abtrünnigen Wirtschaftsfunktionärs Trinh Xuan Thanh aus Berlin nach Hanoi in Auftrag gab und den Entführten in der slowakischen Hauptstadt Bratislava persönlich in Empfang nahm. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es einen deutschen Haftbefehl gegen ihn gibt. Die Generalbundesanwaltschaft äußert sich generell nicht zu offenen Haftbefehlen, um die Betroffenen nicht zu warnen.

Die Sache ist brisant, weil Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vietnamesischen Zeitungsberichten zufolge im Februar einen offiziellen Besuch in Vietnam plant; demnach laufen dafür die Vorbereitungen. Das Bundespräsidialamt hat das auf mehrfache Anfrage weder bestätigt noch dementiert. Als Bundeskanzler Olaf Scholz letzten Herbst in Vietnam war, wurde er zwar von zahlreichen Ministern em pfangen, nicht aber von To Lam.

Eine andere in den sozialen Netzwerken diskutierte Option wäre, dass Parteichef Nguyen Phu Trong den Job des Staatsoberhauptes übergangsweise mit erledigt. Das hatte er bereits ab 2018 gut zwei Jahre lang getan, weil sich die Führungsriege auf keinen Kandidaten einigen konnte. Der Parteichef ist allerdings inzwischen 78 Jahre alt und die Legislaturperiode endet erst 2026.

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