Nicht nur warme Worte

Provenienzforschung muss gut finanziert werden, meint Marten Brehmer

Jahrzehntelang raubte der deutsche Kolonialstaat in Tansania, Kiautschou oder Neuguinea Ressourcen und Handelsumsätze – aber auch unbezahlbare Kulturgüter und menschliche Überreste. Biologen und Mediziner nutzten die Gebeine für anatomische Untersuchungen, die Kulturschätze dienten der ethnologischen Forschung, später durfte die Öffentlichkeit sie in Museen bestaunen.

Das war Unrecht. Wo es bei den gestohlenen Bronzen und Kronen »nur« um Diebstahl ging, der Wert allerdings mit Geld kaum zu bemessen ist, wiegt das Verbrechen bei den Gebeinen schwerer. Denn keiner der Verstorbenen konnte sich entscheiden, ob er von Wissenschaftlern untersucht werden möchte. Das Recht auf körperliche Selbstbestimmung war für sie als Angehörige der »Fremdrassen« nicht vorgesehen. Familien warten nicht selten noch heute darauf, dass sie ihre Verwandten beerdigen können. Dass man heute bei vielen Knochen nicht mehr weiß, von wem sie stammen, weil ihre Herkunft nicht dokumentiert wurde, verdeutlicht die Leichtfertigkeit, mit der vorgegangen wurde, und die Entmenschlichung der Toten.

An der Freien Universität sind solche Gebeine nun wieder aufgetaucht. Mindestens zwei Knochen aus der Zoologischen Sammlung stammen wohl aus den ehemaligen Kolonien. Es ist nicht der erste Fund dieser Art: 2015 wurden bereits Knochen auf dem Campus gefunden. Sie stammten aus der Sammlung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eugenik, das in der NS-Zeit schreckliche Experimente durchführte.

Angesichts dieses Kontextes ist es lobenswert, dass sich die FU ihrem kolonialen Erbe stellt. Das Forschungsprojekt zur Zoologischen Sammlung wurde breit beworben. Ein Blick auf die Homepage verrät aber auch: Die Arbeit des Projekts steht finanziell auf wackeligen Beinen. Momentan bemüht man sich um eine Projektfinanzierung durch die FU. Die Uni sollte ein angemessenes Budget bereitstellen. Denn warme Worte des Bedauerns sind nur ein Schritt, dem konkrete Bemühungen folgen müssen, alle geraubten Gebeine zu identifizieren und in die Herkunftsländer zurückzuführen.

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