Zwischenlager auf Dauer?

Künftige Lagerung der Atommüll-Fässer aus der Asse bleibt weiter unklar

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 5 Min.

Die erhebliche Verzögerung bei der Suche nach einer Lagerstätte für die hochradioaktiven Abfälle könnte sich auch auf den Zeitplan für die Räumung des Atommülllagers Asse auswirken. In der Asse-Region wächst die Befürchtung, dass sich die Rückholung der Atommüllfässer mit schwach- und mittelradioaktivem Atommüll aus dem maroden Bergwerk bei Wolfenbüttel ebenfalls nach hinten verschiebt – und dass das für die Asse-Abfälle zu errichtende Zwischenlager damit zum Dauerlager wird.

Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hatte vor Kurzem mitgeteilt, dass das gesetzlich vorgegebene Ziel, bis 2031 einen Standort für das Endlager für hochradioaktiven Atommüll zu benennen, nicht einzuhalten ist. Die Suche werde sich im günstigsten Fall bis 2046 und im ungünstigsten Fall bis 2068 hinziehen. Die Auswertung geologischer Daten und die Entwicklung der nötigen Untersuchungsmethoden verlangten mehr Zeit als zunächst veranschlagt. Weil die Errichtung des Endlagers Jahrzehnte dauert, kann die Befüllung möglicherweise erst in den 2080er Jahren beginnen. Weitere Verzögerungen durch Proteste von Anwohnern und Gerichtsverfahren sind dabei noch gar nicht berücksichtigt.

Gleichzeitig hält die BGE an dem Termin für die Bergung der Atommüllfässer aus der Asse fest. »Nach derzeitigem Planungsstand soll die Rückholung im Jahr 2033 beginnen«, bestätigt BGE-Sprecherin Monika Hotopp auf Anfrage. Einmal an die Oberfläche geholt, sollen die zum Teil beschädigten und verrosteten Fässer zunächst neu verpackt und in einem Zwischenlager geparkt werden, das zurzeit in Planung ist. Völlig unklar ist allerdings, ob der Asse-Müll später mit in das zu suchende Endlager für hochradioaktive Abfälle gepackt werden kann oder ob dafür eine weitere Lagerstätte gefunden werden muss.

Im Standortauswahlgesetz heißt es dazu, dass eine Endlagerung von schwach- und mittelradioaktivem Atommüll im Endlager für hochradioaktiven Müll zulässig ist, »wenn die gleiche bestmögliche Sicherheit des Standortes wie bei der alleinigen Endlagerung hochradioaktiver Abfälle gewährleistet ist«. BGE-Sprecherin Hotopp sagt dazu: »Wir denken die schwach- und mittelradioaktiven Asse-Abfälle bei der Suche jederzeit mit. Das heißt, wir schauen immer, ob eine Lagerung dieser Abfälle an dem jeweiligen Ort geologisch ebenfalls möglich wäre.« Die Abfälle aus der Asse würden aber nicht im selben Hohlraum eingelagert, sondern in einem separaten Bereich.

»Je später ein Standort für ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll gefunden wird, desto später wird sich klären, ob dieses Endlager auch für den Atommüll aus Asse II geeignet ist«, fasst Eleonore Bischoff von der Wolfenbütteler Atom-Ausstiegsgruppe (WAAG) den Stand der Dinge aus ihrer Sicht zusammen. Und selbst wenn, sei davon auszugehen, dass in einem künftigen Gemeinschafts-Endlager zuerst der hochradioaktive Atommüll eingelagert wird, bevor die Einlagerung von schwach- und mittelradioaktivem Müll erfolgt. Sollte sich indes herausstellen, dass das Endlager für den hochradioaktiven Müll für die Asse-Abfälle nicht geeignet ist, müsse die Endlagersuche für diesen Müll neu gestartet werden. Die Betriebsdauer eines Zwischenlagers auf der Asse lasse sich dann gar nicht mehr eingrenzen, es werde »zu einem Dauerendlager und für eine radioaktive Belastung nicht nur der gegenwärtigen, sondern auch für mehrere zukünftige Generationen«, so Bischoff.

Aus Sicht des SPD-Bundestagsabgeordneten Jakob Blankenburg ist unklar, wo der Atommüll aus der Asse gelagert werden soll, bis ein Endlager in Betrieb ist. Aufgrund dieser »Lagerungs-Lücke« sei zu befürchten, dass die Atomfässer viel länger in der Schachtanlage bleiben könnten. Aber die Zeit drängt: Das Bergwerk ist instabil und droht voll Wasser zu laufen. Die Nachbarschächte Asse I und Asse III waren schon früher vollgelaufen und aufgegeben worden. Trotzdem wurden in die Schachtanlage Asse II zwischen 1967 und 1978 rund 126 000 Behälter mit radioaktiven und chemischen Abfällen gebracht, teils mit Radladern auch einfach abgekippt. Blankenburg fordert vom Bundesumweltministerium nun einen zuverlässigen Zeitplan dafür, wie es mit dem Verfahren zur Endlagersuche und dem Atommüll weitergehen soll.

Auch Heike Wiegel vom atomkraftkritischen Verein »AufpASSEn« verlangt, dass die Suche nach einem eigenen Endlager für den Atommüll aus der Asse unverzüglich beginnen müsse. »Die Politik darf nicht nur darauf hoffen, dass dort, wo einmal die Brennelemente endgelagert werden sollen, auch noch Platz für den Atommüll aus Asse II ist«, bekräftigt auch Wiegels Mitstreiter Andreas Riekeberg vom Asse-II-Koordinationskreis. »Die fahrlässige Verzögerung der Endlagersuche für den Atommüll aus Asse II muss ein Ende haben«, fordert er.

In das ehemalige Eisenerzbergwerk Schacht Konrad in Salzgitter, das zurzeit zum nationalen Endlager für schwach und mittelradioaktive Abfälle ausgebaut wird, können die Asse-Fässer nicht gebracht werden. Schacht Konrad ist nur für 303 000 Kubikmeter Atommüll genehmigt und bereits für Material aus dem Abriss von AKW sowie für Abfälle aus Forschung und Medizin verplant. Für den strahlenden Schrott aus der Asse, der neu verpackt mindestens ein Volumen von 100 000 Kubikmetern umfasst, wäre dort damit kein Platz.

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