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Schwurbel-Partei »Die Basis« macht Wahlkampf in Berlin

Die verschwörungsideologische Kleinstpartei »Die Basis« geht in Berlin mit pazifistischem Image auf Stimmenfang – rechts bleibt sie trotzdem

  • Ralf Fischer
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn sich Rechte linke Schlüsselbegriffe wie Frieden und Freiheit aneignen, steht plötzlich »Die Basis« vor dem Ernst-Thälmann-Denkmal.
Wenn sich Rechte linke Schlüsselbegriffe wie Frieden und Freiheit aneignen, steht plötzlich »Die Basis« vor dem Ernst-Thälmann-Denkmal.

Rote, blaue und weiße Flaggen wehen neben einer riesigen, bronzenen Fahne. Auf dem Vorplatz des Ernst-Thälmann-Denkmals in Prenzlauer Berg versammeln sich am Samstagmittag nach und nach mehrere Hundert Menschen. Auf Transparenten und Schildern fordern sie den umgehenden Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine und den Austritt Deutschlands aus der Nato. Die meisten Demonstranten sind Mitglieder oder Anhänger der Kleinstpartei »Die Basis«. Neben den blauen Friedensfahnen mit weißer Taube und den roten Fahnen der Splittergruppe »Freie Linke« sind sie an den weißen Fahnen der Basisdemokratischen Partei Deutschlands, kurz »Die Basis« genannt, zu erkennen.

Der Landesverband der 2020 gegründeten Partei hatte zu einer Großdemonstration unter dem Motto »Frieden schaffen ohne Waffen« aufgerufen. Rund 500 Menschen kamen deshalb am vergangenen Wochenende zu der Wahlkampfveranstaltung. Laut Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer ist die Partei eine Nachfolgeorganisation der von »Gegnern der staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie« gegründeten Initiative »Widerstand2020«. Viele Mitglieder waren beziehungsweise sind noch in der sogenannten Querdenker-Bewegung aktiv.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Thälmann-Parks protestieren die »Omas gegen Rechts« zusammen mit jüngeren Antifaschisten gegen die laut Mobiler Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) »verschwörungsideologisch-rechtsesoterische Partei«. »Die Basis« gilt als Sammelbecken unterschiedlichster Akteure. Nicht wenige Protagonisten waren zuvor in rechten und verschwörungsideologischen Gruppierungen aktiv. Auch Leugner des Holocausts fanden hier ihre neue politische Heimat.–

Auf der Kundgebung in Prenzlauer Berg tritt etwa Michael Bründel prominent als Einpeitscher auf. Der unter dem Namen »Captain Future« auftretende DJ zeichnet sich immer wieder durch seine Nähe zu rechten und rechtsextremen Organisationen und Personen aus. So kooperierte Bründel mit dem als »Volkslehrer« bekannten Rechtsextremisten Nikolai Nerling bei einer Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen. Des Weiteren wollte er laut der »Jüdischen Allgemeinen« im Juli 2021 mit dem ehemaligen AfD-Politiker Stefan Bauer am Holocaust-Mahnmal in Mitte der »Impftoten in Israel« gedenken.

Die Ablehnung der Corona-Maßnahmen wurde in den letzten Monaten durch andere Themen aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt. Im Berliner Wahlkampf agitiert »Die Basis« gegen die Sanktionen gegen Russland, wendet sich gegen deutsche Waffenexporte und fordert die Öffnung von Nordstream 2. Bei der Kundgebung sind Fahnen der russischen Föderation oder mit dem russischen Adler-Emblem zu sehen. Die USA, gemeinsames Feindbild der Demonstranten, gelten ihnen als Profiteur der Weltlage.

Einige Redner versuchen zwar, sich vom völkischen Nationalismus der Rechtspopulisten abzugrenzen. Zu der Tatsache, dass ein Spitzenkandidat der Partei im Dezember als mutmaßliches Mitglied der rechtsterroristischen Gruppierung »Patriotische Union« verhaftet wurde, fällt jedoch kein Wort. Stattdessen schunkeln die Demonstranten zu Nenas Antikriegsballade »99 Luftballons« durch die Straßen und verteilten ihre Wahlwerbung an Passanten.

Bei der kommenden Wiederholungswahl die Fünf-Prozent-Hürde zu knacken, ist unrealistisch. Knapp 30 000 Erststimmen erreichte die Partei bei der Wahl im September 2021. »Wir hoffen, unser Ergebnis von 2021 ausbauen zu können«, erklärte Robert Wiederhöft, Mitglied im erweiterten Berliner Landesvorstand, gegenüber der »Welt«. Man sei optimistisch, dass »die etablierten Parteien durch die politischen Entscheidungen der letzten Zeit in der Wählergunst verloren haben«. Mit größeren Wahlkampfmitteln kann die Partei erstmals Großplakate einsetzen sowie Werbung in U-Bahnhöfen zeigen.

Ob die Werbung bei den Wählern verfängt, hängt unter anderem davon ab, ob die Partei ihr nach außen hin gepflegtes Image als basisdemokratisch, pazifistisch und regierungskritisch erfolgreich aufrechterhalten kann. Solange die Auftritte von Parteimitgliedern bei dem rechtsextremen Compact-Magazin und andere Verbindungen nach rechts-außen kaum bekannt sind, kann die Kleinstpartei auch im linksalternativen Millieu um Stimmen kämpfen.

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