Wüst bleibt Antworten schuldig

Seit mehr als einem Jahr gesperrte Autobahnbrücke sorgt für Debatten

Eigentlich ist Hendrik Wüst seit Monaten so etwas wie der christdemokratische Sonnyboy. Ihm will alles gelingen. Er hat eine Koalition mit den Grünen geschmiedet, seine Partei liebt ihn und er gibt sich immerzu modern und aufgeschlossen. Unangenehme Termine meidet der nordrhein-westfälische Ministerpräsident. Das wurde zuletzt Mitte Januar deutlich, als Lützerath geräumt wurde. Wüst verschwand fast vollständig aus der Öffentlichkeit, überließ es seiner grünen Stellvertreterin Mona Neubaur und Innenminister Herbert Reul, Fragen zu dem kontroversen Polizeieinsatz zu beantworten.

An diesem Montag musste Wüst allerdings einen unangenehmen Termin wahrnehmen. Der Verkehrsausschuss des Landtags hatte zu einer Sondersitzung geladen. Es ging um die seit dem 2. Dezember 2021 gesperrte Autobahnbrücke Rahmede im Sauerland. Ein kritischer Termin für Wüst, schließlich war er von 2017 bis zum Oktober 2021 nordrhein-westfälischer Verkehrsminister. Außerdem sorgten Meldungen über gelöschte E-Mails und eine mögliche politische Einflussnahme auf den Termin für einen Brückenneubau für allerlei Kritik am amtierenden Ministerpräsidenten.

Um zu verstehen, warum die Brückensperrung ein so heißes Eisen ist, lohnt sich ein Blick nach Lüdenscheid. Die Brücke, die die Verkehrsbelastung nicht mehr aushält, liegt zwischen den Anschlussstellen Lüdenscheid-Mitte und Nord. Seit mehr als einem Jahr rollen nun auf dieser Strecke Tausende Autos und Lkw durch die 70 000-Einwohnerstadt im Sauerland. In Lüdenscheid gibt es kein Durchkommen mehr. Anwohner an den Hauptstrecken beklagen sich über den Lärm durch Lkw, die Tag und Nacht an ihren Wohnungen vorbeidonnern. Firmen aus der Stadt läuft das Personal weg und Speditionen machen einen Bogen um Lüdenscheid. Die A45, eine der wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen im Westen, ist durchtrennt. Auch die Bahn ist keine Alternative. Seit dem Starkregen vom Juli 2021 fährt kein Zug mehr nach Lüdenscheid. Das soll auch noch bis zum Ende des Jahres so bleiben. Die Ersatzbusse stecken in der Regel in den Staus des Ausweichverkehrs. 

Zurück in den Landtag. Dort war Hendrik Wüst nicht alleine erschienen. Auch der grüne Verkehrsminister Oliver Krischer sollte sich vor dem Ausschuss erklären. Doch zunächst hatte Elfriede Sauerwein-Braksiek das Wort. Sie ist Direktorin der Niederlassung Westfalen bei der Autobahn GmbH des Bundes. Vorher war sie Direktorin des Landesbetriebs Straßenbau NRW. Sauerwein-Braksiek kennt sich also seit Jahren mit der Materie aus. Die Bauingenieurin erklärte generell, wie Brückenprüfungen ablaufen und was sie über die Rahmedetalbrücke weiß. Diese habe durchgehend eine befriedigende Note erhalten. Ein 2014 angedachter Ersatzneubau sei verworfen worden, als klar wurde, dass dafür ein Planfeststellungsverfahren nötig ist. Man habe die Brücke planerisch mit dem sechsspurigen Ausbau der Autobahn 45 verbinden wollen. In ihrer Zeit bei Straßen NRW seien ihr »nie« Details zum Zustand der Brücke aus den Fachabteilungen zugetragen worden, weil dieser nicht als besonders schlecht bewertet wurde. 

Die Äußerungen von Sauerwein-Braksiek nahm Hendrik Wüst dankend auf. Er gab zu, Fehler gemacht zu haben, genau wie seine Vorgänger und Nachfolger. Aber der miserable Zustand der Brücke sei einfach nicht bekannt gewesen. »Dieses Thema wurde bei mir nicht mit akutem Handlungsbedarf thematisiert«, erklärte Wüst. Überhaupt sei über mögliche Brückenbauten und deren Priorität »fachlich« entschieden worden. Detailkenntnis habe er nicht. Zum Thema E-Mails hatte der Ministerpräsident einen Mitarbeiter der Staatskanzlei mitgebracht. Der erklärte, dass nicht jede Mail zu den Akten genommen werde und dass es feste Löschfristen gäbe. Im Fall der Brücke seien lediglich Mails gelöscht worden, die zu einer Terminvorbereitung für den Chef der Staatskanzlei Nathanael Liminski dienten. Es sei üblich, solche Mails nicht aufzubewahren. Damit war für Wüst alles geklärt. Für die Opposition allerdings nicht. Zunehmend genervt antwortete Wüst in der dreieinhalbstündigen Sitzung auf die kritischen Fragen von SPD und FDP. Die waren mit den Antworten des Ministerpräsidenten nicht zufrieden und machten das immer wieder deutlich. 

Für Hendrik Wüst könnte das unangenehme Folgen haben. Schon im Vorfeld hatten SPD und FDP laut über einen Untersuchungsausschuss nachgedacht. 

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