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Turn-Stars und Fans kehren zurück nach Cottbus

Beim Turnier der Meister geht es bereits um die Olympiaqualifikation für Paris 2024

  • Thomas Juschus, Cottbus
  • Lesedauer: 4 Min.
Lucas Kochan feiert in der Lausitz das Debüt bei seinem Heim-Weltcup.
Lucas Kochan feiert in der Lausitz das Debüt bei seinem Heim-Weltcup.

Mirko Wohlfahrt freut sich sehr. Der Turnierdirektor kann schließlich erstmals seit 2019 wieder Turn-Fans beim Turnier der Meister in Cottbus begrüßen. An den beiden Finaltagen ist die Lausitz-Arena sogar schon so gut wie ausverkauft. Das hilft natürlich, das Budget von rund 565 000 Euro zu stemmen. Auch die hohen Zahlen an gemeldeten Spitzenturnern wertet der Turnierchef, der seit Ende 2007 die Geschicke vor Ort lenkt, als Erfolg. »Ich kenne keinen Weltcup, der einen so hohen Zuspruch hat wie in Cottbus. Das ist ganz wunderbar und zeigt unser Standing in der Welt«, sagt der 53-Jährige.

Das Turnier der Meister ist tatsächlich einer der traditionsreichsten Turnwettbewerbe der Welt. Nach seiner Premiere 1973 in Schwerin fand das Turnier 1978 in Berlin statt. Seit 1979 ist Cottbus jährlich Gastgeber – außer 2020 und 2021. In beiden Jahren musste das Turnier coronabedingt abgesagt werden. Im Vorjahr wurden zwar wieder Wettkämpfe ausgetragen – allerdings ohne Zuschauer.

Der Wettbewerb gehörte einst zur Grand-Prix-Serie des Weltverbandes FIG, war später Challenger-Cup und hat aktuell Weltcupstatus. Bis einschließlich 2024 gehört Cottbus zur vier Stationen umfassenden Serie. Ihm folgen die Stationen in Doha (1. bis 4. März), Baku (9. bis 12. März) und Kairo (27. bis 30. April). Geturnt wird jeweils einzeln, und am Weltcup hängt viel: Über die Serie läuft die Qualifikation für die Weltmeisterschaften in Antwerpen im Herbst. Dort werden dann die letzten Team-Tickets für die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris vergeben. China, Japan und Großbritannien haben sich bei den Männern bereits qualifiziert, hinzu kommen die Turnerinnen aus den USA, Großbritannien und Kanada. Das Turnier der Meister ist zudem mit insgesamt 50 000 Schweizer Franken (50 600 Euro) dotiert, der Sieg an einem Gerät bringt 1500 Franken ein.

Kein Wunder also, dass sich rund 50 Turnerinnen und 140 Turner aus 52 Nationen von Peru bis Neuseeland angemeldet haben. Gegenüber dem Vorjahr hat sich die Zahl nahezu verdoppelt – da nahmen 30 Nationen teil. Allerdings fehlen diesmal mit China und den USA zwei Großmächte im Turnsport, aus Großbritannien kommen nur die Frauen. Starterinnen und Starter aus Russland und Belarus sind weiterhin kriegsbedingt nicht zugelassen.

Die Augen der Fans dürften sich vor allem auf Oksana Tschussowitina richten. Für die einen ist sie die »Turn-Oma«, für die anderen die »Grand Dame« des Turnsports. Die inzwischen 47-Jährige gewann 1996 das erste Mal in Cottbus – und feierte seither 15 Erfolge in der Lausitz, elf davon an ihrem Spezialgerät Sprung (zuletzt 2017). Die Olympiasiegerin von 1992 will sich zum neunten Mal für die Olympia qualifizieren. Eigentlich wollte die Usbekin nach Tokio 2021 aufhören, kehrte im Vorjahr aber zurück und gewann prompt den Sprung-Weltcup in Doha. Mit Artem Dolgopyat aus Israel und Shin Jea-hwan aus Südkorea sind zwei aktuelle Olympiasieger gemeldet – neben zahlreichen WM- und EM-Medaillengewinnern.

Die Bundestrainer Valeri Belenki und Gerben Wiersma legten sich auf zehn deutsche Athletinnen und Athleten fest. Das Frauen-Team wird von Europameisterin Elisabeth Seitz aus Stuttgart angeführt. Mit der Stufenbarren-Spezialistin treten die Youngster Meolie Jauch, Anna-Lena König und Chiara Moiszi an die Geräte. Die Männer werden mit dem EM-Dritten Nils Dunkel, Pascal Brendel, Milan Hosseini, Dario Sissakis sowie Lucas Kochan und Tom Schultze ins Rennen gehen. »Wir sind mit einer guten Mischung aus jungen und erfahrenen Turnerinnen und Turnern am Start. Ich bin mir sicher, dass sich unsere Riege gut verkaufen wird und auch in den Gerätefinals eine Rolle spielen kann«, erklärte DTB-Sportdirektor Thomas Gutekunst. Die beiden Vorzeige-Athleten fehlen indes: Der Vizeweltmeister am Barren Lukas Dauser kuriert noch eine Verletzung aus. Die Hamburger Balken-Europameisterin Emma Malewski steigt erst später in die Saison ein.

Auch der SC Cottbus ist wieder dabei, was wohl auch für die hohen Zuschauerzahlen mitverantwortlich ist. Über Jahre bestimmten SCC-Turner das internationale Top-Niveau mit. Von Sylvio Kroll bis Philipp Boy trugen sie sich bis 2012 in die Siegerlisten ein. Dann aber folgte eine längere Flaute. In diesem Jahr ist der Ausrichter sogar mit zwei Athleten vertreten. Tom Schultze aus Drebkau war bereits im vergangenen Jahr am Start, verpasste aber an Ringen und Sprung den Einzug ins Finale der besten Acht. Für EM-Teilnehmer Lucas Kochan, der aus Lauchhammer stammt, wird es seine Heim-Premiere. »Ich freue mich riesig, das erste Mal bei diesem Traditionswettkampf an den Start gehen zu dürfen«, sagte Kochan, der am Barren und an seinem Spezialgerät Reck starten wird.

Für Turnierdirektor Mirko Wohlfahrt sind solche lokalen Zugpferde ebenso wichtig wie Olympiasieger. Mit der Rückkehr so vieler Fans und Stars steigen jedoch auch die Herausforderungen: »Wir stoßen an logistische Grenzen – in der Halle, bei den Hotelkapazitäten oder den Fahrdiensten«, so Wohlfahrt. Mit einem großen Team ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer will er dennoch erneut für eine familiäre Atmosphäre sorgen, in der turnerische Spitzenleistungen möglich sind – und das nicht zum letzten Mal.

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