Union Berlin und Coach Steffen Baumgart: Punkten und polarisieren

Die Fußballer aus Köpenick siegen ohne Stürmertore auch bei St. Pauli

  • Matthias Koch, Hamburg
  • Lesedauer: 4 Min.
Seltener Torjubel: Rani Khedira nach seinem Siegtreffer
Seltener Torjubel: Rani Khedira nach seinem Siegtreffer

Solche Bilder gab es von Rani Khedira noch nie. Mit weit ausholenden Armen stürmte der Mittelfeldmann des 1. FC Union Berlin nach dem Abpfiff der Partie beim FC St. Pauli dem Block der 3000 mitgereisten Union-Anhänger entgegen. Der 31-Jährige feierte den etwas glücklichen 1:0-Erfolg seiner Mannschaft besonders. Zum einen war dieser für die Köpenicker wichtig, zum anderen hatte er höchstpersönlich kurz vor dem Pausenpfiff das entscheidende Tor erzielt. »Das war pure Freude. Als ich in die glücklichen Gesichter im Block geschaut habe, kam es auch mal aus mir heraus«, sagte Khedira.

Die Freude im mit 29 546 Zuschauern ausverkauften Millerntor-Stadion war am kalten Sonntagabend aufseiten der Gästefans, die lange um den knappen Sieg bangen mussten. »Ein bisschen Glück hatten wir schon. Unsere Angreifer hatten es richtig schwer«, ordnete Kapitän Christopher Trimmel später ein. Unions letzte Stürmertore in der Bundesliga markierten Oliver Burke und Ilyas Ansah vor zwei Monaten beim 4:3-Sieg in Frankfurt. Seit jenem 21. September waren nur noch Abwehrmann Danilho Doekhi mit vier und Sechser Khedira mit zwei Treffern erfolgreich. In vier von sieben Spielen gingen die Berliner ganz leer aus.

Keine Spielidee

Kritiker werfen Unions Trainer Steffen Baumgart vor, dass keine Spielidee zu erkennen sei. Allerdings mangelt es für den torvorbereitenden Spielaufbau auch an kreativen Mittelfeldakteuren, auch wenn sich beispielsweise Eigengewächs Aljoscha Kemlein rege bemüht und ihm noch Entwicklungsmöglichkeiten einzuräumen sind. Baumgart selbst kann auf die jüngste Erfolgsbilanz verweisen. Den 2:1-Erfolg gegen den Zweitligisten Arminia Bielefeld im Achtelfinale des DFB-Pokals hinzugerechnet, ist Union seit vier Pflichtspielen ungeschlagen. Und beim 2:2 gegen den FC Bayern München überzeugten die Köpenicker nicht nur kämpferisch, sondern auch spielerisch.

Nach dem zweiten Auswärtssieg der Saison steht der 1. FC Union nun auf Platz acht, nur am ersten Spieltag waren die Berliner mit Position fünf noch besser. Der Abstand auf den Relegationsrang 16, den weiterhin St. Pauli einnimmt, konnte zudem auf acht Zähler ausgebaut werden. »Ich bin mir sicher, dass sich so manche Vereine über unsere 15 Punkte freuen würden. Wir wissen aber auch, dass nicht alles gut ist, dass wir uns weiter verbessern wollen«, erklärte Trainer Baumgart.

Zumindest weiterer Punktezuwachs scheint in Sicht. Von den sieben vor Union liegenden Mannschaften haben die Köpenicker bis auf RasenBallsport Leipzig schon alle bespielt, alle anderen bis zum Ende der ersten Halbserie folgenden Konkurrenten stehen hinter Union. Am kommenden Sonnabend ist Schlusslicht 1. FC Heidenheim zu Gast in der Alten Försterei.

Polarisieren und protestieren

Baumgart wird dennoch weiter polarisieren. Wie auch am Millerntor: Als ehemaliger Coach des Hamburger SV wurde er von den Fans des FC St. Pauli fast 90 Minuten lang beleidigt. Zudem flogen ständig Papierkugeln in seine Richtung. Die stammten aus den Resten der Choreografie, mit denen die Heimfans in den ersten zwölf Minuten gegen angekündigte Verschärfungen der Sicherheitsmaßnahmen im Fußball protestiert hatten, die Anfang Dezember Thema der Innenministerkonferenz sind. »No IMK« stand in schwarzer Schrift auf tausenden roten Handzetteln.

Natürlich beteiligten sich auch die Union-Anhänger am Stimmungsboykott, zwischenzeitlich gab es »Scheiß IMK«-Wechselgesänge beider Fanlager. Die untypische ruhige Anfangsphase im Millerntor-Stadion akzeptierten auch die Spieler. »Ich bin auch ein Freund vom Protest, weil am Ende stehen die Fans auch für etwas ein. Das ist auch gut so. Wir können schon damit umgehen«, erklärte Trimmel.

Nicht akzeptieren können sie beim FC St. Pauli die sportliche Situation. Nachdem die Mannschaft von Trainer Alexander Blessin zu Saisonbeginn aus den ersten drei Begegnungen stolze sieben Zähler eingespielte hatte, folgte nun die achte Bundesligapleite am Stück. Das hat es in der Erstligahistorie von St. Pauli auch noch nicht gegeben.

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