Museum Barberini in Potsdam: Lebensspenderin, auch zu Mitternacht

Das Museum Barberini in Potsdam präsentiert die Sonne als Quelle des Lichts in der Kunst

  • Klaus Hammer
  • Lesedauer: 5 Min.

Das Spiel des Lichts einzufangen, war dem französischen Maler Claude Monet ein Grundbedürfnis. Die von Tageszeit, Wolken und Nebeldunst, Spiegelung und natürlich insbesondere von der Sonne hervorgerufenen Stimmungen sind das eigentliche Sujet seiner Bilder. Sein skizzenhaftes, weltberühmtes Gemälde »Impression« von 1872, das den Hafen von Le Havre mit der aufgehenden Sonne zeigt, deren Strahlen sich im Wasser brechen, war und ist eine Sensation: Im Wechselspiel des Lichts und im Flimmern der Luft wird ein einzigartiger atmosphärischer Eindruck vermittelt. Einst als Skandal angesehen, hat es einer ganzen Stilrichtung den Namen gegeben.

Nun hat diese Ikone des Impressionismus, die wegen ihres fragilen Zustands sonst nie ausgeliehen wird, das Museum Marmoton Monet in Paris verlassen und bildet für acht Wochen einen Glanzpunkt der großen Ausstellung »Sonne. Die Quelle des Lichts in der Kunst« im Potsdamer Museum Barberini. Erstmals wird hier eine Ikonografie des Fixsterns, ohne den Leben auf der Erde nicht möglich wäre, von der Antike bis zur Gegenwart vorgeführt.

Dieses Ausstellungsprojekt ist vom Museum Marmoton Monet bereits im vergangenen Jahr in Paris vorgestellt worden; jetzt wird in Potsdam die Kunst im Zeichen der Sonne von Michael Philipp, dem Chefkurator des Museums Barberini, in veränderter Version präsentiert. Die eindrucksvolle Schau ist thematisch aufgebaut, zeigt in einzelnen Kapiteln die personifizierte Gottheit Sonne (Helios, Apollon, Sol in der Antike), den Sturz der Himmelstürmer (Phaeton, Ikarus), Christus als neue Sonne sowie die Beziehung des Menschen zum Kosmos.

Gezeigt werden sonnenüberflutete Landschaften und wie Künstler die intensive Strahlkraft der Sonne wiederzugeben versuchten. Erstaunlich, was hier an Exponaten aus 60 öffentlichen und privaten Sammlungen weltweit zusammengetragen werden konnte: Gemälde, Skulpturen, Bronzen, Manuskripte, Druckgrafik, bibliophile Werke, Medaillen und Antiquitäten.

Dabei ergeben sich in den jeweiligen Themenbereichen höchst aufschlussreiche Fortschreibungen: Umwandlungen, Gegenüberstellungen, Brechungen und Neuansätze. Dies macht die besondere Faszination dieser Schau aus. So zeigt ein Fresko aus Pompeji den Sonnengott Sol im Licht- und Strahlenkranz sowie mit Sphärenkugel und Peitsche als Sinnbilder für die Beherrschung des Universums.

Eine heilsgeschichtliche Interpretation von Christus als Sonne unternimmt dann Maarten de Vos im »Segnenden Christus in Aureole« (letztes Viertel des 16. Jahrhundert). Christus nimmt hier die gleiche verkündende Haltung ein wie vormals Sol. Doch jetzt wird mit der Sphärenkugel, die dem Reichsapfel des Heiligen Römischen Reiches folgt, der Machtanspruch des Christentums formuliert. Ein Prozess der Fortschreibung eines ständiger Wandlung unterworfenen Themas: Mit dem Sonnengott Helios schien schon der charismatische Alexander der Große vergleichbar, der französische König Ludwig XIV. ließ sich als Sonnenkönig feiern, und auch Imperator Napoleon Bonaparte wurde als Sonnengott Helios dargestellt.

Aus der mythologischen Vorstellung vom täglichen Lauf der Sonne im Bild eines von Pferden gezogenen Wagens ging Peter Paul Rubens’ Gemälde »Apollon im Sonnenwagen« (1621–25) hervor. Ein dramatisches Geschehen stellt sich hier dar: Lichtstrahlen kämpfen sich durch die Wolken und enthüllen für einen Moment Körper und Pferdeleiber. Bei Odilon Redon wiederum schwebt »Der Wagen des Apollon« (1908) in verfließenden Farben heiter schwerelos in den Wolken.

Eine Umformung der Sonne zum christlichen Sinnzeichen hat Caspar David Friedrich 1812 in seinem Andachtsbild »Kreuz im Wald« vorgenommen; das Kruzifix enthält nicht das Abbild des Gekreuzigten, sondern einen Strahlenkranz um eine Sonnenscheibe. Dagegen strahlt in »Weidengebüsch bei tiefstehender Sonne« (1832–35) die Sonne durch einen Dunstschleier zwischen fast laublosen Kopfweiden. Friedrichs Bilder führen meist vom Hier und Jetzt in die ferne Weite, in einen lichten Landschaftsraum, der durchaus auch im religiösen Sinne als das Jenseits gedeutet werden kann.

Dazu in ungewöhnlicher Konfrontation Max Ernst und sein Gemälde »Grätenwald« (1926) – die Sonne als rotgefleckte Scheibe über einem undurchdringlichen Waldgitter. Spiegeln sich hier schon die bösen Vorahnungen kommender Ereignisse wider? Und macht Katharina Sieverding in einem Video das Unmögliche möglich? »Die Sonne um Mitternacht schauen« (2011–14): ein Sonnenball von glühender Materie als lebensspendendes wie lebensvernichtendes Gestirn.

Den letzten Teil der Ausstellung bilden Landschaften, in denen die Sonne als Quelle des Lichts Handlungsträgerin des Bildes ist: Bei Claude Lorrain (»Seestück«, 1630–35) spiegelt sich die Sonne auf der Wasseroberfläche und fängt auch die beiden Figuren im Vordergrund mit ein. In William Turners »Sonnenuntergang im Dunst« (um 1809) wird die abendlich beleuchtete Szenerie noch detaillierter ausgeführt und mit Menschen als Staffage bevölkert.

In späteren Bildern entmaterialisieren sich die Sujets immer mehr, die Konturen lösen sich in diffuse Übergänge auf. »Die Sonne« von Edvard Munch (1910–13) wirft ihre Strahlen, »Quelle des Lebens und des Lichtes«, auf eine Fjordlandschaft. Unheilverkündend dagegen der »Sonnenaufgang« von Otto Dix (1913) – hier ist die Sonne von einem schwarzen Strahlenkranz umgeben, Krähen à la Vincent van Gogh flattern über eine abgestorbene Landschaft. Schließlich noch Gérard Fromangers der Pop-Art zugehöriges Bild »Die Sonne überflutet meine Leinwand« (1966): Von einem gelben Kreis tropfen Farbbahnen nach unten, das Zerfließen der Sonne andeutend – der Maler macht sich über die künstlerische Inspiration durch ein göttlich verstandenes Sonnenlicht lustig.

Diese imposante, aufwendig inszenierte Ausstellung macht uns einmal mehr bewusst: Die Sonne als Ursprung des Lichts hat uns erst das Sehen und damit die Erkenntnis ermöglicht.

»Sonne. Die Quelle des Lichts in der Kunst«, Museum Barberini, Potsdam, Alter Markt,
tägl. (außer Di) 10 bis 19 Uhr, bis 11. Juni.
Katalog (Prestel-Verlag, 34 €) im Museumsshop.

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