»The Last of Us«: Mehr als Zombie-Dystopie-Szenario

Die HBO-Serie »The Last of Us« ist nicht allzu weit entfernt von der realen Welt, meint Nadia Shehadeh

Die Serie »The Last of Us« bietet mehr als Zombie-Dystopie-Szenario.
Die Serie »The Last of Us« bietet mehr als Zombie-Dystopie-Szenario.

Wenn mich in ein paar Jahrzehnten irgendjemand fragt, was ich in den ersten drei Monaten des Jahres 2023 gemacht habe, dann kann ich ohne Umschweife antworten: Ich habe »The Last of Us« geguckt – und zwar nicht wie ein Fan, sondern fast schon wie eine Fanatikerin. Wenn mich jemand auf meinem Bett im Altenheim antippen würde, könnte ich wahrscheinlich den Serienplot runterrasseln wie ein Referat. Und wahrscheinlich würde ich mich selig an Hauptdarsteller Pedro Pascal erinnern. So, als wäre er mein Enkel und nicht der sexy Daddy (und ja, auch mein Daddy) der Popkultur-Nation der 2020er Jahre.

Nadia Shehadeh
Nadia Shehadeh ist Soziologin und Autorin, wohnt in Bielefeld und lebt für Live-Musik, Pop-Absurditäten und Deko-Ramsch. Sie war lange Kolumnistin des »Missy Magazine« und ist außerdem seit vielen Jahren Mitbetreiberin des Blogs Mädchenmannschaft. Für »nd« schreibt sie die monatliche Kolumne »Pop-Richtfest«.

Dabei liest sich der Plot erstmal wie eine Story vom Reißbrett: Nach einer verheerenden Pilz-Epidemie ist die Welt in einem allzu typischen Dystopie-Setting von zombieartigen Infizierten bevölkert. Nach dem Tod seiner Tochter schmuggelt der Schwarzhändler Joe Miller (Pedro Pascal) die 14-jährige Ellie (Bella Ramsey) aus einer Quarantänezone durchs Land, da sie immun gegen das Virus ist – und somit ein Gegenmittel für die Pilzmutation gefunden werden könnte. Auf ihrer Odyssee landen sie in immer neuen Scharmützeln und liefern sich Gefechte mit dem Militär, feindseligen Menschenbanden und natürlich den Pilz-Zombies. Blut und viel Balla-Balla. Eigentlich nicht das Material, aus dem meine Serienträume sind. Das Playstation-Spiel habe ich auch nie gespielt, obwohl ich zumindest immer nur Gutes darüber gehört habe.

Trotzdem. Irgendwann zwischen Folge eins und drei wurde die Serie auf einmal zu einem der wichtigen Ankerpunkte meiner Wochenplanung. Neun Wochen lang jeden Montag eine neue Episode und zur Überbrückung zwischen den Folgen ausgiebiges Beschäftigen mit Internet-Memes, dem ausgezeichneten Soundtrack und Hauptdarsteller*innen. So schnell geht es, sich in ein neues Hobby einzuarbeiten!

Gut, ich bin ein Spezialfall, weil ich vielleicht ein etwas zu großes Faible für Serien im Allgemeinen und HBO-Produktionen im Speziellen habe und ausgestattet bin mit einem Alltagssetting, das exzessives Serien-Bingen zumindest begünstigt (Zeit habend und kinderlos sein, ausgestattet mit Zugang zu Streaming-Diensten, eine Popkultur-Kolumne schreibend). Aber: Ich bin nicht allein mit meinem Hype. Viele TV-Kritiker*innen und Fans erklärten die HBO-Produktion schon jetzt zur besten Serie des Jahres und schließen nicht aus, dass das Magnus Opum vielleicht bei den besten Mehrteilern aller Zeiten einzuordnen ist.

Tatsächlich rutscht »The Last of Us« trotz Zombie-Dystopie-Szenario durch seinen Plot und seine Figuren in eine Bedürfnislücke der Zuschauer*innen, die wahrscheinlich nur darauf gewartet hat, gefüllt zu werden. Nach beunruhigenden Weltereignissen wie der Corona-Pandemie, kriegerischen Auseinandersetzungen und Energie- und Inflationskrisen scheint der Serien-Plot doch nicht allzu weit entfernt von einem selbst zu sein. Die Zombie-Bedrohung fungiert auch ganz gut als Metapher für ein Kollektiv-Mindset, das der Gesellschaft natürlich eher massiv schädlich als denn zuträglich ist. Wie in einer solchen Welt trotz aller feindlichen Umstände ein Miteinander gelebt werden kann – vielleicht ist das der besondere Reiz, der »The Last of Us« ausmacht.

Und die Produktion nagt am Zahn der Zeit. Mit einer non-binären Hauptfigur (Bella Ramsey) und unfassbar guten Episoden, wie zum Beispiel der Teenie-Romanze zwischen Ellie und Riley (Storm Reid) in der siebten Folge, werden Stereotype der Mainstream-Unterhaltung aufgebrochen, was natürlich nicht nur Begeisterungsstürme, sondern auch heterosexistische Anfeindungen ausgelöst hat. Das aber hat dem Hype der Serie keinen Abbruch getan, im Gegenteil. Ramsey und Pascal sind auf ihrer Presse-Tour für »The Last of Us« quasi im übertragenen Sinn im Dauerkampf gegen Anti-Wokeness-Jünger*innen und Homofeinde im Einsatz und sagen ganz klar, für wen sie sich einsetzen (LGQTB-Community, trans und non-binäre Personen) und was ihnen am Ar*** vorbeigeht (homofeindliche Zuschauer*innen, Kommentare und Backlash-Hass aus der Gamer-Szene).

Durch diese Übertragung in reale Settings kann man als Fan oder auch Nicht-Fan dann quasi begleitend mitverfolgen, wie die beiden Hauptfiguren nicht nur in der Serie, sondern auch im echten Leben an einem Strang ziehen. Dass Pedro Pascal und Bella Ramsey on top eine wunderbare Freundschaft pflegen, die keinerlei eklig romantische Züge hat, und die der Verbindung ihrer Figuren in der Serie in nichts nachsteht, ist ein weiterer Pluspunkt. Es ist die Übersetzung einer Geschichte in allzu reale Verhältnisse, in die man sich als Fan natürlich noch weiter reinsteigern kann – auch, indem man sich in die Pedro Pascal und Bella Ramsey-Mania reinbegibt. Wer »The Last of Us« schaut, lernt nicht nur etwas über ein Videospiel, sondern auch etwas über unsere Welt, in der Homofeindlichkeit, apokalyptische Bedrohungsszenarien und Austerität ja auch nicht komplett weg vom Tablett sind. Deswegen: uneingeschränkte Anguckempfehlung!

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