Fast alles wie immer

Die diesjährigen Oscars boten keine Eklats und kaum Überraschungen. »Everything Everywhere All at Once« und »Im Westen nichts Neues« räumten viele Trophäen ab

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
Remarque-Revival: Regisseur Edward Berger (vorne) nahm am Sonntag den Preis für den besten internationalen Spielfilm für »Im Westen nichts Neues« entgegen.
Remarque-Revival: Regisseur Edward Berger (vorne) nahm am Sonntag den Preis für den besten internationalen Spielfilm für »Im Westen nichts Neues« entgegen.

Kein Eklat wie im letzten Jahr, als Preisträger Will Smith Moderator Chris Rock ohrfeigte, sondern alles ganz ruhig: Bei den diesjährigen Oscars gab es wenig Überraschungen. Das gilt auch für die verliehenen Auszeichnungen. Erwartungsgemäß war Dan Kwans und Daniel Scheinerts Science-Fiction-Komödie »Everything Everywehre All at Once« mit sieben Oscars der große Abräumer und gewann, wie auch alle Wettbüros vorhergesagt hatten, in drei der vier sogenannten Hauptkategorien. Die malaysische Schauspielerin Michelle Yeoh, deren Vorfahren aus China stammen, erhielt für ihre Rolle in dem Film die Trophäe für die beste weibliche Hauptrolle – als zweite nicht weiße Schauspielerin in der Geschichte der Oscars nach der Afroamerikanerin Halle Berry (2002). Der aus der Versenkung aufgetauchte US-Schauspieler Brendan Fraser wurde für seine Rolle als übergewichtiger Literaturprofessor in Darren Aronofskys Vater-Tochter-Drama »The Whale« zum besten Hauptdarsteller gekürt.

Die prestigeträchtigen Preise für »Beste Regie« und »Bester Film« heimste ebenfalls »Everything Everywehre All at Once« ein. Das ist insofern ein historisches Ereignis, als dass der Film mit gerade einmal knapp 15 Millionen Dollar Produktionskosten in Hollywood als Independent-Film gilt, und meist sind es doch die teuren Produktionen, die es überhaupt erst in die Oscarauswahl schaffen. Allein die Oscar-Gala kostete mit 50 Millionen Dollar dreimal so viel wie der große Siegerfilm.

Aus deutscher Sicht sind die vier Oscars für Edward Bergers Antikriegsdrama »Im Westen nichts Neues« – eine Verfilmung des gleichnamigen Klassiker-Romans von Erich Maria Remarque – durchaus als denkwürdiges Ereignis zu werten. Nach »Die Blechtrommel« (1980), »Nirgendwo in Afrika« (2003) und »Das Leben der Anderen« (2007) ist das der vierte deutsche Film überhaupt, der in der Kategorie als »Bester fremdsprachiger Film« ausgezeichnet wurde. Die weiteren Oscars für »Im Westen nichts Neues« gab es für Kamera, Szenenbild und Filmmusik.

Die Auszeichnung in Hollywood und die breite Beachtung für den opulent inszenierten Film, der den Wahnsinn des Krieges bildgewaltig und schockierend in Szene setzt, hat sicher auch mit Russlands Krieg gegen die Ukraine zu tun. Wobei der Anfrage des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, für eine Grußbotschaft zur Oscar-Verleihung zugeschaltet zu werden, wie das bei den Festivals von Cannes, Venedig und bei der Berlinale geschehen war, eine Absage erteilt worden war. Eine Begründung gab es nicht. Schon vergangenes Jahr hatte es deswegen in Hollywood Streit gegeben. Schauspieler Sean Penn hatte 2022 sogar zum Boykott der Gala aufgerufen und gedroht, seine Oscars zurückzugeben – was er dann aber nicht tat.

Fast doch ein wenig überraschend war, dass die in vielen Feuilletons so hoch gehandelten Filme »The Banshees of Inisherin«, »Tár« und Steven Spielbergs »The Fabelmans« die Jury letztlich nicht ganz überzeugten. Das langsamer erzählende Kino konnte sich in diesem Jahr nicht durchsetzen. Und auch Diversität unter den ausgezeichneten Darstellern gab es trotz der Trophäe für Michelle Yeoh recht wenig. Die einzige schwarze Oscar-Preisträgerin ist Ruth Carter, die die Auszeichnung für das Kostümdesign für »Wakanda forever« erhielt.

Vergleichsweise schlecht schnitten die teuren Hollywood-Blockbuster-Produktionen ab. James Camerons »Avatar 2«, der derzeit im Kino so viel Geld umsetzt wie kein anderer Film, erhielt mit dem Oscar für visuelle Effekte lediglich eine Art Trostpreis. Auch für die Fraktion der fossilen Brennstoff-Fetischisten gab es einen Oscar, nämlich für die Fortsetzung des nationalistischen Militär-Epos »Top Gun« mit jeder Menge röhrender Flugzeugmotoren in der Kategorie »Bester Ton«. Der für drei Oscars nominierte Cannes-Gewinner »Triangle of Sadness«, eine etwas platt geratene komödiantische Kapitalismuskritik in Form eines Schiffbruch-Abenteuers, ging hingegen ganz leer aus.

Der Oscar für das beste Originaldrehbuch ging an »Everything Everywehre All at Once«, der Preis für das »Beste adaptierte Drehbuch« an Sarah Polley für »Die Aussprache«, ein Film über sexuellen Missbrauch in einer mennonitischen Gemeinde. Erwähnenswert ist auf jeden Fall noch der Oscar für den besten animierten Film, der an Guillermo del Toro für seine Pinocchio-Inszenierung ging. In del Toros Film kämpft die anarchische Holzpuppe nicht nur subversiv gegen die Faschisten, sondern darf auch – anders als in der literarischen Vorlage – am Ende eine Puppe bleiben. Die Trophäe für del Toro ist ein Beispiel dafür, dass bei den Oscars durchaus einige sehenswerte Filme mit Substanz ausgezeichnet wurden – auch wenn eher sozialkritische Werke wie »Causeway« und »To Leslie« keine weitere Beachtung fanden.

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