Mehr Waffen für Europas Armeen

Sipri verzeichnet stark steigende Rüstungsimporte

  • Steffen Trumpf
  • Lesedauer: 4 Min.

Stockholm. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine schlägt mit voller Wucht auf den Rüstungsmarkt durch. Die Einfuhren schwerer Waffen wie Panzer, Kampfjets und U-Boote nach Europa stiegen im Vergleich der vergangenen beiden Fünfjahreszeiträume um 47 Prozent an – die europäischer Nato-Staaten sogar um 65 Prozent. Dies geht aus einem Bericht hervor, den das Friedensforschungsinstitut Sipri aus Stockholm am Montag veröffentlichte. Die Ukraine stieg infolge des russischen Überfalls im Februar 2022 zum drittgrößten Importeur von Rüstungsgütern weltweit auf.

Weltweit nahm das Volumen der zwischenstaatlichen Rüstungslieferungen dagegen um 5,1 Prozent ab. Die USA bleiben Branchenprimus, Deutschland bleibt einer der fünf größten Lieferanten. Sipri-Forscher Pieter Wezaeman sagte: »Auch wenn die Waffentransfers weltweit zurückgegangen sind, sind diejenigen nach Europa aufgrund der Spannungen zwischen Russland und den meisten anderen europäischen Staaten stark gestiegen. Nach Russlands Einmarsch in die Ukraine wollen europäische Staaten mehr Waffen importieren – und das schneller.«

Mehr als die Hälfte (56 Prozent) der von diesen Staaten gekauften Waffen stammen dem Bericht zufolge aus den USA und 5,1 Prozent aus Deutschland. Die Ukraine wurde schlagartig einer der größten Abnehmer: Seit ihrer Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 hatte sie kaum schwere Waffen eingeführt. 2022 wurde sie durch die Militärhilfen aus den USA und Europa jedoch weltweit zur Nummer drei. Nur Katar und Indien importierten noch mehr. Im Zeitraum 2018 bis 2022 steht die Ukraine mit zwei Prozent der globalen Einfuhren auf Platz 14. Ihr drittgrößter Lieferant hinter den USA und Polen ist Deutschland.

Europäische Staaten hätten in den vergangenen zehn Jahren, insbesondere seit 2014, erheblich auf die aus ihrer Sicht gestiegene Bedrohung durch Russland reagiert, sagte Sipri-Forscher Pieter Wezaeman. Die zunehmende Nachfrage durch die meisten europäischen Länder dürfte die Importzahlen in den kommenden Jahren wahrscheinlich noch viel stärker prägen.

Die USA und Russland sind seit Jahrzehnten die weltweit dominierenden Waffenlieferanten. Doch ihr Abstand zueinander wächst: Während die USA mit einem Anteil von nun 40 Prozent weiterhin Nummer eins unter den Exporteuren sind, ging Russlands Anteil deutlich auf 16 Prozent zurück. Frankreich ist Nummer drei mit starken Zugewinnen auf elf Prozent. Die dortige Rüstungsindustrie hat auch noch deutlich mehr ausstehende Großaufträge als Russland. Deshalb hält man es bei Sipri nicht für ausgeschlossen, dass Frankreich Russland überholen wird.

Das Volumen der russischen Rüstungsexporte sank im Vergleich der Zeiträume 2013 bis 2017 und 2018 bis 2022 um 31 Prozent, besonders stark in den vergangenen drei Jahren. Die Forscher glauben, dass sich dieser Trend wegen des Ukraine-Kriegs fortsetzen wird: Russlands Streitkräfte bräuchten die Waffen selbst. Zudem dürfte die Nachfrage aus anderen Ländern wegen der Sanktionen gegen Russland und des zunehmenden Drucks des Westens auf diese Staaten gering bleiben.

Komplettiert werden die fünf größten Exportländer durch China und Deutschland. Das deutsche Exportvolumen ging dem Bericht zufolge im Fünfjahresvergleich um 35 Prozent zurück. Damit hatte die Bundesrepublik einen Anteil von 4,2 Prozent an den globalen Exporten (zuvor: 6,1 Prozent), Staaten im Nahen Osten waren Deutschlands größte Abnehmer.

Sevim Dağdelen, Obfrau der Fraktion Die Linke im Auswärtigen Ausschuss und Sprecherin für internationale Politik und Abrüstung, fordert einen »Stopp von Waffenlieferungen, vor allem in Krisen- und Kriegsgebiete«. Die neuen Sipri-Zahlen müssten »ein Weckruf sein, den Aufrüstungswahnsinn zu stoppen, von dem allein die Rüstungskonzerne profitieren, an der Spitze die Unternehmen in den USA«. Im Falle Deutschlands, immerhin weltweit fünftgrößter Waffenlieferant, hält Dağdelen »das Gerede von einer restriktiven Genehmigungspraxis bei Rüstungsexporten« für eine »Täuschung der Öffentlichkeit«.

Auch Greenpeace sieht Deutschlands Rolle auf dem Rüstungsmarkt kritisch. »Deutschland zählt weiterhin zum Kreis der fünf weltweit größten Waffenlieferanten, das bleibt ein Skandal«, sagte Abrüstungsexperte Alexander Lurz. Die Bundesregierung müsse sich diplomatisch für Mäßigung einsetzen. dpa/nd

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