Credit Suisse und Silicon Valley Bank: Tanz auf dem Vulkan

Rudolf Hickel über die Krise der Silicon Valley Bank und der Credit Suisse

  • Rudolf Hickel
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach dem Beinaheabsturz der weltweiten Finanzmärkte vor etwa 15 Jahren hatte sich die Zuversicht etabliert, so etwas werde sich nicht wiederholen. Schließlich sind nicht nur in den Metropolen des Finanzmarktkapitalismus Mindeststandards für das Bankensystem etabliert worden. Einige Jahre ist es gelungen, die Finanzmärkte vor der Selbstzerstörung zu schützen. Es gab zwar hin und wieder Störmeldungen für einzelne Banken. Der große Finanzmarkttsunami aber blieb aus.

Umso überraschender waren zwei Schreckensmeldungen in diesem Monat. Beim Störfall aus den USA steht die vor allem für die Finanzierung von Startups wichtige Silicon Valley Bank (SVB) im Zentrum. Wenige Tage später folgte die überraschende Nachricht von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des alten Bankenmonsters Credit Suisse. Der urplötzliche Run auf die Einlagen, der mit einem täglichen Abzug bis zu elf Milliarden Schweizer Franken einsetzte, löste einen dramatischen Kurssturz der Aktie aus.

Rudolf Hickel
Der Ökonom Rudolf Hickel hat an der Universität Bremen Finanzwissenschaften gelehrt. Er ist außerdem Mitgründer der »Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik«.

Damit der mögliche Zusammenbruch frühzeitig verhindert wird, werden milliardenschwere Rettungsprogramme aufgelegt. Die US-Notenbank schuf schnell das neue Instrument »Bank Term Funding Program«, mit dem Finanzmittel für die oftmals nicht abgesicherten Einleger auch der SVB mobilisiert werden. Um den weltweit relevanten Finanzplatz Schweiz zu retten, wird die Zwangsehe der Credit Suisse mit dem ehemaligen Erzfeind UBS vollzogen. Neun Milliarden Schweizer Franken werden zum Ausgleich für mögliche Verluste aus den bisherigen Geschäftsbereichen hinzugegeben. Zusätzlich stellt die Schweizerische Notenbank 100 Milliarden Franken als Liquiditätshilfe der neuen Mega-Bank zur Verfügung.

Heute ist klar: Gegen die Abhängigkeit von der Liquidität einer Bank hätte die Finanzierung auf mehrere Institute aufgeteilt werden sollen. Schließlich reichten erste Gerüchte über Zahlungsprobleme, um Einlagen abzuziehen und damit auch die Finanzierung der Startups zu gefährden. Erstmals in dieser Deutlichkeit verschärft aber auch die US-Notenbank die Lage der SVB. In Folge der mehrfach angehobenen Leitzinsen mussten zur Geldbesorgung die alten Staatsanleihen mit den Niedrigrenditen unter Wert verkauft werden. Schließlich haben schwere Rückschritte bei der Bankenregulierung Wirkung gezeigt. So ist die ursprünglich strenge Absicherung der Zahlungsfähigkeit gegenüber riskanten Bankgeschäften unter dem Druck der Bankenlobby für kleinere Institute verwässert worden.

Mit der Krise der zuvor noch machtstrotzenden Credit Suisse offenbart sich die übermächtige Gewalt des Vertrauens, oder besser: Misstrauens, gegenüber den Finanzmärkten. Selbst bei guter Substanz kann tiefes Misstrauen gegenüber den Bankrisiken über Nacht in einen Run auf die Einlagen umschlagen. Nachdem seit Jahren die Reputation dieser systemrelevanten Großbank gesunken war, reichte die Ansage durch den Aufsichtsratsvorsitzenden als Vertreter des größten Aktionärs »Saudi National Bank«, kein Kapital nachzuschießen, aus zum Sturm auf die Konten.

Die SVB und die Credit Suisse offenbaren eine verallgemeinerbare Fehlentwicklung der Finanzmärkte. Die Krise ist nicht die Ausnahme, sondern vergleichbar mit einem Vulkan, dessen andauernd brodelndes Magma sich kaum vorsehbar in Eruptionen entlädt. Sie ist der Dauerzustand der Finanzmärkte und begründet das teils auch irrationale Misstrauen in die Mechanismen des Bankensystems.

Die beiden Bankenkrisen mit dem Potenzial eines Systemabsturzes lehren: ausreichend Liquiditätsvorsorge, eine scharfe Schuldenbremse für Banken, die Rückkehr zum Kerngeschäft der Institute sowie ein Verbot von Bankengeschäften durch »Schattenbanken«, die ohne Regulierung mitmischen, sind notwendig.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal