Fußball in Tschechien: Rumburak im Endgegnerhain Ďolíček

Ballhaus Ost: Vier Spiele in Prag mit Sparta, Slavia, Bohemians und Žižkov

  • Frank Willmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Spiele der Grün-Weißen von Bohemians Prag kann auf verschiedene Weisen genießen.
Spiele der Grün-Weißen von Bohemians Prag kann auf verschiedene Weisen genießen.

Der Zauberrabe Rumburak war mit uns, als wir verwichnen Sonntag rechtschaffen an unseren Prager Bieren im Bohemiansground nuckelten. Samstagfrüh eingetroffen, hatten wir längst drei Spiele im Rucksack, die uns in drei Stadien der Hauptstadt geführt hatten.

Ballhaus Ost
Frank Willmann blickt auf den Fußball zwischen Leipzig, Łódź und Ljubljana.

Slavia und Sparta ringen in der ersten Liga Tschechiens um den Titel, die Prager Bohemians schnüffeln als Vierter an der Europa League und Žižkov steht vorm Aufstieg in die zweite Liga. Dementsprechend voll waren alle Prager Stadien und betörten uns mit Bier, Wurst und frühlingshafter Fröhlichkeit. Wir träumten wie Zauberraben auf ihren Akazien und spähten in die Fußballwelt. Slavia kickte im heimischen Eden gediegen, die große Fanbase schwenkte rot-weißes Zeug und feuerte unaufgeregt ihre Mannschaft an. Gewohnt, im Kampf um die Meisterschaft ganz oben zu stehen, fehlte die letzte Leidenschaft auf dem Platz und den Tribünen, der Gegner wurde dennoch mit vier Toren zurück in die morawische Provinz geschickt.

Sonntagmorgens findet sich im Allgemeinen die wirre deutsche Jugend in Žižkov ein, um bei ersten Sonnenstrahlen Bier und Fettbemmen mit reichlich Zwiebelringen zu verputzen. Die Nacht in Prag war kurz und Bier ohne Zwiebeln ist keine Lösung. Skinheads, Punks, Langhaarige und sonstige Verwirrte jeden Alters tummelten sich an den Zapfanlagen. Ein paar Dutzend hochkarätige Fans geigten uns den Regen fort und machten sich über das gegnerische Team in politisch unkorrekten Gesängen lustig. Während ihre Viktoria den Gegner zünftig vermöbelte, lutschten wir Zwiebelchen, lobten das Prager Bier und pupten den nahenden Mittag ein. 

Nun schnell zum alten Rathaus, um dem Tod dabei zuzusehen, wie er zu jeder vollen Stunde die zwölf Apostel, aka die elf Spieler und den Trainer, mit seiner Sense zum Lauftraining ermuntert. Kurz ist ein Fußballspiel und hinter jeder Biegung des Lebens lauert das Ende. Meisterschaft und Magerquark oder Fettleber und Aschenbrödel? 

Unser halbstabiler Aschenbrödelhaufen knödelte weiter Richtung Sparta Prag. Nicht alle hielten Anschluss und sahen derbe Spartaner siegen. Deren Fans kommen gern aus den Plattenbauten, beherrschen den bösen Blick und ziehen sich die Jogger tief in die Arschfalte. Wären sie Apachen, würden sie ohne Sattel reiten, Texanerblut zum Frühstück trinken und die Kunst, im vollen Tempo einer feindlichen Marketenderin den Kopf abzuschneiden, perfekt beherrschen. In der öden Wirklichkeit sind sie Team Unfrieden, drängeln sich gern an der Kloschlange vorbei und reagieren devot, wenn man sie am Schlafittchen wieder zurück zum Ende beordert.

Indes die Sonne sank, huschten wir schemenhaft und wesenlos zum Ďolíček, dem Endgegnerhain unserer Fußballreise. Wie eine Patrouille im Niemandsland zerklüfteter Berge, verdammt, einen uralten Fluch zu erfüllen. Heiser sprachen wir uns Ermunterungen zu und schnitten eine letzte Wurst in Streifen, die wir brüderlich teilten. Blitze flackerten und unser Schatten wuchs zu schauriger Größe, als wir den finalen Ort des geheiligten Geschreis erreichten. Grüne Göttinnen und Götter der Nacht empfingen uns. Die Orgie nahm ihren Lauf. Unter dem buckligen Mond wurden wir eins mit unserem Auftrag. Unsichtbar miteinander verbunden, heulten wir den Mond an und trotzten allen Ungeheuern. Bohemians stürmte voran und zermürbte für und mit uns den hinterlistigen Gegner.

Nachdem die Grün-Weißen mit 1:0 gegen den 1. FC Slovácko gewonnen hatten, tranken wir an einer Quelle frischen Bieres Wange an Wange mit unseren tschechischen Gefährten goldenes Urquell, unterdessen mittelgroße Präriewölfe aus dem nahen Zoo kläfften.

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