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»Die Kairo-Verschwörung«: Good cop, bad cop

Der schwedische Spielfilm »Die Kairo-Verschwörung« bietet spannende Edelpropaganda

  • Stefan Ripplinger
  • Lesedauer: 5 Min.
Die roten Imam-Sariks sehen schon gut aus: ein Blick in die Azhar-Universität in Kairo
Die roten Imam-Sariks sehen schon gut aus: ein Blick in die Azhar-Universität in Kairo

Vor fast zehn Jahren wurde der ägyptische Präsident Mohammed Mursi in einem Militärputsch gestürzt. Damit, erklärte US-Außenminister John Kerry damals, sei »die Demokratie wiederhergestellt«. Tausende Mitglieder der Muslimbruderschaft wurden ermordet und Mursi mittels verweigerter medizinischer Hilfeleistung ins Jenseits befördert. Feldmarschall Abd al-Fattah as-Sisi, der seither die Opposition unterdrückt und die Medien kontrolliert, ließ sich zuletzt mit 97 Prozent der Stimmen als Herrscher bestätigen. Angesichts dessen könnten auch passionierte Transatlantiker ins Grübeln kommen. Für sie ist der Spielfilm mit dem albernen Verleihtitel »Die Kairo-Verschwörung« gemacht. Er soll anhand einer Geschichte aus dem heutigen Ägypten vermitteln, dass selbst die schlimmste westlich gestützte Despotie besser ist als jede islamische.

Regisseur und Autor ist der schwedische Fernsehproduzent Tarik Saleh. Sein Film schmeichelt der in seinem Land herrschenden Macht. Bekanntlich wird die dortige Regierung von den rechtsradikalen Schwedendemokraten unterstützt, zu deren obersten Zielen der Kampf gegen die Islamisierung zählt. Doch begeht Saleh den dümmsten Fehler nicht: Er lobt nicht den Feldmarschall. Es wird durchaus gezeigt, wie die Regierung as-Sisi (dessen Name respektvollerweise niemals ausgesprochen wird) die Religionsfreiheit und andere Freiheiten beschneidet, wie sie foltert und mordet. Doch soll am Ende das Gute siegen.

Für seinen glücklich endenden Kampf zwischen Gut und Böse zieht Saleh eine der ältesten Klamotten der Polizei und des Polizeifilms aus der Mottenkiste: good cop, bad cop. In der ägyptischen Staatssicherheit soll es zwei widerstreitende Mächte geben, eine, die zwar säkular gestimmt ist, doch im Großen und Ganzen fair bleibt, und eine andere, die die Religiösen mit Stumpf und Stiel ausrotten will. Die gute Macht wird überragend dargestellt von dem Schauspieler Fares Fares. Sein Oberst Ibrahim ist ein schlaksiger, lässiger Kerl mit gemütlicher kleiner Wampe, wirrem Haar und einer Gloria-Steinem-Brille. Er ist der Typ Vertrauenslehrer. Das Böse kommt in Gestalt des besser frisierten, verkokst wirkenden Sohby (Moe Ayoub) daher. Er ist der Vorgesetzte des guten Ibrahim. Über beiden thront, außer as-Sisi, der General Al Sakran (Mohammad Bakri), von dem anfangs nicht geahnt werden kann, was für ein warmherziger Kettenraucher er ist.

Denn zu Beginn trumpft der General Al Sakran auf. In der legendären Azhar-Universität zu Kairo ist der auf Lebenszeit gewählte Großimam verstorben. Zur Auswahl stehen drei mögliche Nachfolger: ein blinder Scheich (Makram Khoury), der hohe theologische Reputation genießt, der Islamist Durani (Ramzi Choukair) und der Liberale Omar Beblawi (Jawad Altawil). Es ist klar, welchen Scheich die oberste Heeresleitung als Imam wünscht. Also erteilt der General in schneidendem Ton dem Oberst Ibrahim die Weisung, dafür zu sorgen, dass Beblawi die Wahl gewinnt.

Ibrahim hat nun ein kleines Problem: Sein Spitzel vor Ort (Mehdi Dehbi) ist bereits enttarnt, wird kurz darauf niedergemetzelt, Ibrahim braucht dringend einen neuen. Und damit tritt der Antiheld des Films in Erscheinung, Adam. Gegen den Willen seines Vaters, eines schlichten Fischers, hat Adam ein Stipendium für die Azhar-Universität angenommen. Tawfeek Barhom stellt den Adam als einen – schon vor seinem Vater, später vor anderen Autoritäten – stets geduckten, fügsamen Menschen mit gesenktem Kopf und vor Angst weit aufgerissenen Augen dar.

Dass der Geheimdienst ausgerechnet diesen verhuschten Jüngling, der über keine Verbindungen verfügt, als Spitzel ausersehen sollte, wirkt zwar unglaubwürdig. Doch wenn etwas an dem Film zu loben ist, dann dies: Er porträtiert die vom Geheimdienst gelenkten Agenten, jedenfalls das Fußvolk, nicht als übermenschliche James Bonds, sondern als zitternde, erpresste, getriebene Figuren.

Nicht sonderlich stark wird motiviert, weshalb Adam, der nicht so blöd ist, wie er aus der Wäsche guckt, das üble Spiel mitmacht. Erst lässt er sich, halb aus Unterwürfigkeit, halb aus Neugier, auf das Ganze ein, dann murrt er ein wenig, worauf Oberst Ibrahim Adams Vater eine lebenswichtige Operation spendiert, und am Ende hat er wohl auch Gefallen an der Intrige gefunden.

Wie also gelingt es, die beiden religiösen Scheichs aus dem Rennen zu werfen? Nun ja, sie geben mehr oder weniger von selbst auf. Der Blinde, der den Plot des Geheimdienstes durchschaut, opfert sich, indem er sich des Mordes an Ibrahims erstem Spitzel bezichtigt, in der Hoffnung, aus seinem Prozess einen politischen zu machen. Der islamistische Scheich schwängert ein Mädchen und hat Heißhunger auf Big Macs, bemüht sich auch nicht, diese zum Himmel schreienden Sünden zu vertuschen. Und so hat der liberale Scheich freie Bahn, gewinnt die Wahl und erklärt vollmundig: »Staat und Religion mögen Hand in Hand gehen.«

Der Anteil Adams an der Operation ist eher gering – er droht dem Islamisten mit der Bekanntgabe seiner Untaten –, er könnte also sein Studium fortsetzen. Allein, Ibrahims Vorgesetzter Sohby verlangt, Adam aus Sicherheitsgründen zu eliminieren. Kurz scheint es, der Film könnte auf den letzten Metern kritisch werden. Doch dann tritt der finstere General vom Anfang wieder auf, zeigt sich diesmal von seiner Schokoladenseite, Adam kann zur Fischerei zurückkehren und wird wohl beim nächsten Mal as-Sisi wählen.

Die aus der Vogelperspektive gefilmten roten Imam-Sariks, die Kopfbedeckungen der Studenten, sehen schon gut aus. Die Einstellung erinnert an ähnliche Bilder aus King Vidors großartigem »The Crowd« (1928) und an dessen ungezählte Epigonen. Sonst herrscht routinierte Perfektion vor, aber selbst wer die Propaganda-Pille nicht schluckt, wird sich nicht unbedingt langweilen.

»Die Kairo-Verschwörung« (Boy from Heaven): Schweden, Dänemark, Finnland, Frankreich 2022. Regie und Buch: Tarik Saleh. Mit: Tawfeek Barhom, Fares Fares, Mohammad Bakri. 126 Minuten. Start: 6. April.

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