Immobilien: Adler Group im Sturzflug

Wohnungsbestände und Immobilienprojekte des Unternehmens werden verkauft

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 6 Min.
Hochhäuser in der Rudolf-Wissell-Siedlung in Spandauer Ortsteil Staaken
Hochhäuser in der Rudolf-Wissell-Siedlung in Spandauer Ortsteil Staaken

Der große Knall ist vorerst ausgeblieben. Der Londoner High Court hat am Mittwoch dem Sanierungsplan von Adler stattgegeben. Der Immobilienkonzern kann sich nun selbst auflösen und seine Bestände verkaufen, um Gläubiger zu bezahlen. Einige Geldgeber hatten gegen den Plan zur Restrukturierung des Unternehmens geklagt, aus Angst, auf Geld verzichten zu müssen. Adler hatte den eigenen Restrukturierungsplan als letzte Chance dargestellt, ein Insolvenzverfahren abzuwenden.

Der britische Shortseller Fraser Perring, der schon beim Wirecard-Skandal vor Betrug warnte, hatte Adler 2021 vorgeworfen, seine Geldgeber zu täuschen. Beim Shortselling, also Leerverkäufen, wird kurz gesagt auf fallende Kurse gewettet. Perring hatte also ein eigenes Interesse. Die Wirtschaftsprüfer von KPMG konnten aber nicht alle Vorwürfe Perrings widerlegen und verweigerten Adlers Jahresabschluss den Prüfvermerk. Von da an ging es bergab, der Aktienkurs brach bis in den Cent-Bereich ein und die Bestellung eines Wirtschaftsprüfers scheiterte bis zuletzt.

Der Restrukturierungsplan von Adler sieht vor, dass ein Teil der Anleihen, die nun bald fällig geworden wären, erst später bedient werden müssen. Außerdem kann Adler neue Schulden machen. Letztendlich soll der Immobilienkonzern aber abgewickelt werden. »Strategisch werden wir die Adler Group auf die Verwaltung und Weiterentwicklung eines Bestandsportfolios in Berlin und begrenzte Aktivitäten in der Projektentwicklung ausrichten«, hieß es vom Unternehmen nach der Entscheidung aus London. Die Schlagzeilen sprachen dann am Mittwoch davon, dass »einzelne Bauprojekte« verkauft werden sollen und Adler »in der Bundeshauptstadt bleiben« will.

Marcel Eupen vom Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbund wundert sich über die Ankündigung. »Wenn es von Adler heißt, sie wollen sich jetzt auf Berlin konzentrieren, dann deckt sich das nicht mit dem eigenen Restrukturierungsplan«, sagt er.

18 000 Wohnungen hat Adler in Berlin und dazu einige Immobilienprojekte. Der Steglitzer Kreisel ist das prominenteste Beispiel. Hier sollte ein Büroturm für Eigentumswohnungen umgebaut werden. Bei dem Immobilienprojekt geht es aber ebenso wie auf anderen Filetgrundstücken von Adler in Deutschland nicht voran.

Eupen erklärt, dass nach dem Restrukturierungsplan bis Ende 2024 Immobilienprojekte wie der Steglitzer Kreisel verkauft werden sollen, gleichzeitig auch ein Teil der Wohnungsbestände. »Die dann noch vorhandenen Entwicklungsprojekte sollen bis Ende 2025 und die restlichen Wohnungsbestände bis Ende 2026 zu Geld gemacht sein, und entsprechend steht dann 2027 niemand mehr auf der Gehaltsliste der Adler Group«, so Eupen. Aber bereits für 2024 sehe der Plan vor, die Arbeitsplätze im Unternehmen auf weniger als ein Viertel zu reduzieren. »Es blieben 150 Angestellte übrig. Diese genügen nicht, um die Bestände vernünftig zu bewirtschaften«, so Eupen, der einen »harten Übergang« für die Mieter befürchtet. Schon jetzt würden sich bei Adlers Wohnungen in Westend Anträge auf Mietminderungen stauen.

Schlussendlich bedeutet der Restrukturierungsplan, dass Tausende Mietwohnungen in Berlin in den kommenden Jahren auf den Markt kommen. Die Forderungen danach, dass das Land selbst Wohnungen ankaufen soll, bevor andere Investoren diese übernehmen, mehren sich. Die mögliche neue Landesregierung aus CDU und SPD hatte in ihrem Koalitionsvertrag ein milliardenschweres Ankaufprogramm verabredet, mit dem 100 000 Wohnungen in öffentliche Bestände überführt werden sollen.

2019 hatte Berlin noch unter der damaligen Linke-Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher bereits knapp 6000 Wohnungen von Ado Properties gekauft. 2020 wurde Ado Properties dann von Adler vollständig übernommen. Beim Ankauf der Bestände durch die Gewobag habe zuvor »keine ausreichende technische und wirtschaftliche Prüfung stattgefunden«, sagt Eupen. »Asbest, marode Fahrstühle und Heizungsanlagen sind alles Mängel, die bis heute nicht beseitigt worden sind.« Wenn es also wieder zu Ankäufen kommt, erwartet er, »dass die Objekte danach nicht vernachlässigt werden«.

Das ist kein einmaliger Fall. Auch bei den 15 000 Wohnungen, die 2021 im Zuge der Fusion von Vonovia und Deutsche Wohnen für 2,5 Milliarden Euro an das Land verkauft wurden, waren einige heruntergewirtschaftete Immobilien dabei, die die öffentliche Hand den Konzernen vergoldete. Deshalb gibt es auch Kritik an dem im Koalitionsvertrag vorgesehenen Ankaufprogramm. Aus Steuermitteln sollen Konzerne saniert werden, hieß es.

Wenn auch nicht in dem Ausmaß wie bei Adler, stecken die börsennotierten Immobilienriesen alle wegen gestiegener Zinsen in der Krise. Dass man ihnen mit Ankäufen bei der Entschuldung unter die Arme greift, ist die eine Seite der Medaille. Die andere ist, dass in öffentliche Hand überführte Wohnungen sich durch das Land politisch regulieren ließen im Sinne einer gemeinwohlorientierte Wohnraumversorgung. Auch Marcel Eupen vom Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbund spricht sich für Ankäufe aus. Denn andernfalls kommen die Wohnungen auf den privaten Markt.

Immobilienmarktexperte Christoph Trautvetter meint: »Es gibt genug Kaufinteressenten mit viel Geld, wenn der Preis stimmt.« Milliardäre und Fonds nennt er als Beispiel. »Der Investor Blackstone hat gerade erst mit mehr als 30 Milliarden Dollar einen neuen Immobilienfonds aufgelegt.« Es ist mitten in der Krise der Immobilienkonzerne der größte Fonds mit »opportunistischer« Ausrichtung, also einer Strategie, die auf Käufe mit den größten Gewinnchancen, aber mit gleichfalls hohem Risiko abzielt.

Die Adler-Bestände dürften zum Teil in das Beuteschema des Fonds passen. Bei den anstehenden Verkäufen geht es aber nicht nur um Entwicklungsprojekte wie den Steglitzer Kreisel, wo bereits bezahlte Eigentumswohnungen nicht fertiggestellt wurden. Der Konzern hat auch mehrere Großwohnsiedlungen in seinen Beständen, wo zum Teil besonders vulnerable Mieter wohnen, deren Wohnungen auf dem internationalen Kapitalmarkt weitergereicht werden könnten.

Auch Vonovia ist Anteilseigner bei Adler und schreckte erst vergangenes Jahr vor Plänen zurück, den Konzern ganz zu übernehmen. Zwar hat Vonovia gerade auch erhebliche eigene Probleme, unter anderem wegen der teuren Übernahme der Deutsche Wohnen und steht selbst vor Immobilienverkäufen. Marcel Eupen will den Branchenriesen aber nicht abschreiben. Bei einem geringen Kaufpreis sei denkbar, dass Vonovia die Großsiedlungen übernehmen könnte. »Wenn das Land will, dass Vonovia in Berlin nicht weiter wächst, sollte es Ankäufe ernsthaft prüfen«, sagt er.

Letztlich ähnelt ein Teil des Wohnungsgeschäfts von Adler auch dem von Vonovia. »Bei Adler muss zwischen den ehemaligen Ado-Beständen und Adler Westgrund unterschieden werden«, sagt Eupen. Die von Ado Properties übernommenen Bestände, zu denen die Weiße Siedlung in Neukölln oder die Rudolf-Wissell-Siedlung in Spandau gehören, werden ähnlich wie die von Vonovia bewirtschaftet. Mit eigenen Tochterfirmen, die beispielsweise die Hausmeisterarbeiten übernehmen. Bei diesen habe es schon immer Probleme gegeben, sagt Eupen. »Die Bestände von Adler Westgrund sind hingegen zwar etwas in die Jahre gekommen, wurden aber akzeptabel verwaltet.«

Ob überhaupt und, wenn ja, was und in welchem Umfang vom Land übernommen werden soll, ist bislang nicht klar. Auch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht äußern. Sich zu möglichen Wohnungsankäufen bei Adler zu verhalten, dürfte eine der dringlichsten Aufgaben der neuen Landesregierung werden.

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