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SPD Forum Netzpolitik: Berliner Koalitionsvertrag geht zu weit

SPD-Digitalpolitiker kritisieren den Koalitionsvertrag mit der CDU

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 3 Min.

Bis Freitagabend können die rund 18 500 SPD-Mitglieder noch über eine gemeinsame Regierung ihrer Partei mit der CDU und den von beiden Parteien ausgearbeiteten Koalitionsvertrag abstimmen. Die Digitalpolitiker des Forum Netzpolitik, eines Think-Tank der Berliner SPD, haben nun ein Papier veröffentlicht, in dem sie argumentieren, dass der Koalitionsvertrag rote Linien sozialdemokratischer Digitalpolitik überschreite.

Vor allem die Videoüberwachung, die laut Koalitionsvertrag an »kriminalitätsbelasteten Orten« eingeführt werden soll, sehen die Digitalpolitiker als »mit den Werten einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar« an. In der Realität werde das zu anlassloser Überwachung führen, weil die Vereinbarung über temporäre Maßnahmen hinausgehe und davon ausgegangen werde, dass bestimmte Orte dauerhaft einen Anlass böten. Dies widerspreche der Beschlusslage der SPD, die sich für Videoüberwachung als lediglich temporäre Maßnahme ausspreche.

Auch beim Thema Bodycams sei der Koalitionsvertrag unzureichend. Zwar spricht sich das Forum Netzpolitik nicht grundsätzlich gegen Bodycams aus. Der Think-Tank betont aber, dass gemachte Aufzeichnungen auch den Anwälten von Betroffenen polizeilicher Maßnahmen zur Verfügung stehen müssten und auch eine Zeitspanne vor und nach Aktivierung der Aufnahme gespeichert werden müsse. Der Koalitionsvertrag enthalte aber »keinerlei Einigung zu Schutzmaßnahmen für betroffene Bürger*innen«, kritisieren die Digitalpolitiker in ihrem Papier.

Die roten Linien stammen aus einem Beschluss des Forums Netzpolitik zu Beginn der Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD. 2021 seien die Digitalpolitiker noch direkt an den Verhandlungen zwischen SPD, Grünen und Die Linke beteiligt gewesen, sagen sie.

Es sind nicht die einzigen Fachpolitiker, die den Koalitionsvertrag kritisieren. Auch Gewerkschafter von SPD, Grüne und Die Linke haben sich vergangene Woche in einem Papier für die Fortsetzung der rot-grün-roten Koalition ausgesprochen. Darunter sind führende Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft für Arbeit (AfA).

Zuvor hatten sich bereits mehrere Kreisverbände und die Jugendorganisation Jusos gegen eine Koalition mit der CDU ausgesprochen. Als Gründe wurden neben den Kapiteln zu Innenpolitik und Arbeit unter anderem die Vereinbarungen zu den Themen Wohnungsbau und Verkehr immer wieder genannt.

Eigentlich widerspricht das der von der SPD-Spitze erbetenen Neutralität von Parteigliederungen. So sollen unter anderem Arbeitsgemeinschaften, Foren und Fachausschüsse sich »neutral verhalten« und keine Empfehlungen abgeben, wie die Landesgeschäftsführung an alle Mitglieder schrieb. Auch die Mitgliederforen der SPD, deren letzte Einladung auf Dienstag datiert ist, finden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. In sozialen Netzwerken mangelt es hingegen nicht an Meinungsbekundungen und Beleidigungen zwischen SPD-Politikern.

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