Error: NRW-Abiprüfungen wegen IT-Problemen verschoben

Neuer Termin am Freitag stößt auf Kritik: Nun muss während des Bahnstreiks und Zuckerfests geschrieben werden.

Schon früh am Dienstag sickerten erste Informationen durch: Irgendetwas klappt da nicht in Nordrhein-Westfalen. Viele Schulen konnten die Aufgaben für das Zentralabitur nicht vom Server des Schulministeriums herunterladen. Hinter den Kulissen soll derweil fieberhaft an einer Lösung der Probleme gearbeitet worden sein. Lehrer*innen im ganzen Bundesland saßen in den Schulen, warteten darauf, die Prüfungen herunterladen und ausdrucken zu können. Abends gegen 20:40 Uhr kam die endgültige Entscheidung. Die für Mittwoch geplanten Abiturprüfungen wurden auf den Freitag verschoben. In einer kurzen Mitteilung ließ sich die nordrhein-westfälische Schulministerin Dorothee Feller (CDU) zitieren. Zweimal bezeichnete sie die Störung der IT-Systeme als »ärgerlich« und versprach, »die massive Störung gemeinsam mit dem externen Dienstleister intensiv aufarbeiten und eine genaue Fehleranalyse erstellen« zu wollen. Eine Entschuldigung gegenüber Lehrer*innen und Schüler*innen gab es zu diesem Zeitpunkt von Feller noch nicht.

Die FDP-Bildungspolitikerin Franziska Müller-Rech reagierte schnell auf das Chaos um die Abiturprüfungen. Die Verschiebung bezeichnete sie als »Horror«, den es noch nie gegeben habe. Schüler*innen hätten sich »wochenlang« auf ihre Prüfungen vorbereitet, die nun »ins Wasser« fielen. Müller-Rech beklagte vor allem die schlechte Informationspolitik des Schulministeriums. Schulen und Schüler*innen seien über Stunden im Unklaren gelassen worden. Auch sie als Abgeordnete sei nicht informiert worden, stattdessen sei im Internet »das Gemunkel« über die Ursachen losgegangen. Die Verschiebung der Abiturprüfungen auf den Freitag hält die Politikerin der Liberalen für einen Fehler. Am Freitag bestreikt die Gewerkschaft EVG die Deutsche Bahn. Außerdem findet zum Abschluss des Ramadan das Zuckerfest statt. Muslimische Schüler*innen und Lehrkräfte können sich an diesem Tag eigentlich von der Schule freistellen lassen. Müller-Rech wirft der Landesregierung mangelnde »interkulturelle Sensibilität« vor und vergleicht den neuen Prüfungstermin mit einer Prüfung an Weihnachten oder am Ostermontag.

Ähnlich fällt auch die Kritik der SPD aus. Schulpolitikerin Dilek Engin bezeichnet die Vorkommnisse vom Dienstag als »Abi-Super-Gau der Schulministerin«. Das Kommunikationsverhalten von Ministerin Feller sei »katastrophal«. Es habe an schneller und klarer Kommunikation gefehlt. Die SPD-Fraktion im Landtag hat eine Sondersitzung des Schulausschusses noch in dieser Woche beantragt. Man ist auch besorgt um die Geheimhaltung der Aufgaben für die Prüfungen.

Grund dazu gibt es. Die IT-Sicherheitsexpertin Lilith Wittman twitterte in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, sie habe die Aufgaben gefunden. Sie lägen »offen im Internet in einem Ordner auf einem Server«; bis weitere Personen sie finden könnten, sei es nur eine »Frage der Zeit«. Der Darstellung Wittmanns, die in den vergangenen Jahren zahlreiche Sicherheitslücken bekannt gemacht hatte, widersprach Schulministerin Dorothee Feller am Mittwochvormittag. Der Tweet von Wittman, die nur einen Screenshot von Testaufgaben veröffentlicht hatte, passe nicht zu den gestellten Aufgaben des Zentralabiturs, so die Ministerin.

Feller entschuldigte sich außerdem bei allen Schüler*innen und Lehrer*innen für die Unannehmlichkeiten. Sie könne es verstehen, wenn Schüler*innen »so richtig sauer auf uns sind. Und ehrlich gesagt, ich bin auch auf uns selbst sehr, sehr sauer.« Auch die Kritik am neuen Termin nahm Feller auf und bot Muslim*innen an, dass sie einen Nachschreibtermin wahrnehmen könnten.

Die Landesschüler*innenvertretung nimmt das Chaos zum Anlass für eine grundsätzlichere Kritik. Dies sei ein weiterer Beleg dafür, »dass das zentralisierte Abitur und der Privatisierungswahn der Landesregierung für zukünftige Abschlussprüfungen überwunden werden müssen«, hieß es in einer Pressemitteilung.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal