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Sudan: Militär auf Evakuierungsmission

Westliche Staaten lassen Bürger ihrer Länder aus dem Sudan in Sicherheit bringen

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Sudan ringen derzeit der Putschisten-Präsident Abdel Fattah Al-Burhan und sein Vize Mohammed Hamdan Daglo um die Macht. Al-Burhan ist Oberbefehlshaber der sudanesischen Armee, Daglo Anführer der paramilitärischen Miliz RSF (Rapid Support Forces). Mehrere vereinbarte Feuerpausen hielten nicht. Plünderungen und Gewalttaten nehmen zu, Strom-, Lebensmittel-, Wasser- und Treibstoffversorgung sind zusammengebrochen. Die Weltgesundheitsorganisation sprach am Sonntag von bislang mindestens 413 Toten und über 3500 Verletzten.

Die Heftigkeit der Kämpfe überraschte auch Experten im Auswärtigen Amt in Berlin. Vergangenen Mittwoch hat dort ein Krisenstab begonnen, Möglichkeiten zum Schutz deutscher Staatsbürger auszuloten. Das Bundesverteidigungsministerium (BMVg) teilte am Montag mit, Angehörige der Luftwaffe westlicher Staaten hätten bislang 1000 Personen aus dem Sudan evakuiert. Spezialkräfte der Bundeswehr sowie der Polizeieinheit GSG 9 haben demnach bis Montagnachmittag 311 Personen außer Landes gebracht, mehr als die Hälfte von ihnen sind deutsche Staatsbürger. Zudem seien unter den Evakuierten 42 Niederländer und mehr als 15 Österreicher sowie einige Australier, Bulgaren, Btiten, Belgier, Norweger, Tschechen, Iren, Schweden und Portugiesen.

Laut Bundesregierung sind an der Evakuierungsoperation rund 1000 Bundeswehrangehörige beteiligt. Ende vergangener Woche bereiteten sie den jordanischen Militärstützpunkt Al Azrak als Basis vor. Dann starteten A400M-Transportmaschinen in Richtung Sudan. Das dortige Militär gestattete am Sonntag drei Landungen auf dem noch gehaltenen Luftwaffenstützpunkt Wadi Seidna. Der wurde in den 1970er Jahren mit sowjetischer Hilfe aufgebaut, verfügt aber nur über eine kurze Start- und Landebahn sowie kaum Abstellflächen und Unterkunftsmöglichkeiten.

Die Basis liegt etwa 50 Kilometer nördlich der umkämpften sudanesischen Hauptstadt Karthum. Per E-Mail waren deutsche Staatsbürger darüber informiert worden, dass sie »aufgrund der Umstände« nicht von ihrem jeweiligen Standort abgeholt werden könnten und »auf eigenes Risiko« zum Flughafen kommen müssten, da die Kampfhandlungen vielerorts anhielten.

Die Maschinen hatten nach Angaben des BMVg und des Auswärtigen Amtes (AA) Spezialkräfte – Fallschirmjäger, Elitekämpfer des Kommandos Spezialkräfte (KSK), Fernmelder, Sanitäter, Militärpolizisten und Pioniere – an Bord, die den Nahbereich um die die Maschinen sichern, aber gegebenenfalls auch Personen in Not aus der Umgebung des Stützpunktes abholen können.

Das Personal der deutschen Botschaft übernahm die formale Abwicklung der »Ausschleusung«. Auf der Evakuierungsliste befinden sich laut AA insgesamt mehr als 300 Deutsche, die als Diplomaten, Angehörige von Nichtregierungsorganisationen und Wirtschaftsexperten im Sudan arbeiteten. Hinzu kämen Menschen aus anderen EU-Staaten. Ob die Bundeswehr-Operation fortgeführt werden kann, hängt von der Zustimmung der verfeindeten sudanesischen Gruppierungen ab. Die zwischen den Kontrahenten vereinbarte Feuerpause sollte nur bis zum Montagabend andauern.

Auf die Lage von Ortskräften deutscher Organisationen und Behörden angesprochen, machte ein AA-Sprecher am Montag deutlich, dass die Situation anders sei als in Afghanistan. »In Afghanistan ging es ja bei den Ortskräften darum, dass das Personen waren, die in den Augen der Taliban westliche Verräter waren und auf die gezielt Jagd gemacht wurde«, sagte er. Im Sudan dagegen werde generell keine Rücksicht auf Zivilisten genommen, es werde aber »jetzt nicht gezielt gegen unsere Ortskräfte« vorgegangen. Eine gesetzliche Verpflichtung bestehe, was die Rettung eigener Staatsbürger betreffe.

Unabhängig vom Fortgang der Evakuierungsmission muss der Bundestag diese nachträglich genehmigen. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Montag in Berlin, eine vorherige öffentliche Befassung des Bundestages hätte das Leben der zu rettenden Menschen gefährdet. Dem Parlamentsbeteiligungsgesetz entsprechend werde der Antrag auf Zustimmung nach Beginn der Operation gestellt.

Die Uno evakuiert derweil auf dem Landweg nach Port Sudan. Die rund 800 Kilometer ab Karthum sind voller Unwägbarkeiten. Derzeit ist ein Einsatzgruppenversorger der deutschen Marine zur Unterstützung in die Hafenstadt am Roten Meer unterwegs.

Frankreich, Italien und Spanien haben etliche Menschen evakuiert. So haben laut einem Bericht vom Montag französische Militärmaschinen fast 400 Menschen aus 28 Ländern mit vier Flügen in das nahe gelegene Dschibuti am Horn von Afrika ausgeflogen. Die USA hatten zur Rettung ihrer Diplomaten und von deren Angehörigen 100 Elitekämpfer mit drei Hubschraubern geschickt. Nach Schätzungen von US-Medien halten sich mindestens 16 000 US-Bürger, viele sogenannte Doppelstaatler, im Sudan auf. Sie sind auf sich gestellt. Großbritannien hatte mit einer offenbar waghalsigen Aktion in der Nacht zum Sonntag seine Botschaftsmitarbeiter und ihre Angehörigen abgeholt.

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